[Rezension] Zarifa – Afghanistan
(© Lübbe Audio) |
Zarifa – Afghanistan. Meine Heimat. Meine Geschichte*
von Zarifa Ghafari & Hannah Lucinda Smith
Gelesen von Kordula Leisse
Bewertung: ★★★★☆
Memoir, Audiobook Spieldauer: 9 Stunden und 7 Minuten
Erscheinungsdatum: 17. Oktober 2022
Verlag: Lübbe Audio
Inhaltsangabe:
Zarifa Ghafari ist die weibliche Stimme Afghanistans. Mit 24 Jahren zur jüngsten Bürgermeisterin des Landes ernannt, versuchen Taliban, sie gewaltsam von der Ausübung ihres Amtes abzuhalten. Trotz der Anschläge setzt sie sich unermüdlich gegen Korruption, für Frieden und Frauenrechte ein. Als Vergeltung wird ihr Vater ermordet. Nach dem Einmarsch der Taliban 2021 muss Ghafari fliehen. Doch ihr Kampf geht weiter. Eindringlich schreibt sie über ihr Leben und ihr Engagement. Sie erzählt über das Schicksal afghanischer Frauen und ihre gemeinsame Vision, das Leben in einem Land voll religiösem Fanatismus zu verändern. Ihr Bericht ist Zeugnis und Appell zugleich, Afghanistan nicht zu vergessen.
Meine Meinung:
Dieses Hörbuch habe im Zuge einer Lesechallenge gelesen, an der ich neu teilnehme. Dabei geht es darum, zu jedem Land auf dieser Welt ein Buch einer weiblichen Autorin zu lesen. Und angefangen habe ich mit A wie Afghanistan.Vor diesem Hörbuch habe ich den Namen Zarifa Ghafari noch nie gehört - und nach Beendigung des Hörbuchs, werde ich ihn bestimmt nicht so schnell wieder vergessen. Denn das, was diese junge Frau bereits alles in ihrem Leben geleistet hat, ist wirklich beeindruckend und lässt sich nur schwer in Worte fassen.
Doch fangen wir ganz von vorne an: Ghafari ist in Kabul geboren und aufgewachsen und sie beschreibt, wie es für sie war, als junges Mädchen in einem muslimischen Land aufzuwachsen, das immer wieder von Taliban regiert wurde. Ihr könnt euch allein an dieser kurzen Beschreibung wahrscheinlich vorstellen, dass so ein Leben von vielen Herausforderungen geprägt war. Und doch hat sich Ghafari niemals unterkriegen lassen, sondern versucht, sich in einem Land als Frau zu behaupten, das gerade erst vor kurzem wieder einen grossen Rückschritt in Sachen Frauenrechte gemacht hat, als die Taliban 2021 einmal mehr die Macht des Landes an sich gerissen haben.
Doch trotz all der Angst und dem Schrecken, das diese Terrororganisation im eigenen Land verstreut, hat Ghafari sich nicht unterkriegen lassen und ist ihren eigenen Weg gegangen: Sie hat in Indien studiert, sie trägt keine Burka und sie hat mit gerade 24 Jahren als Bürgermeisterin einer afghanischen Stadt eine Position bezogen, mit der sie nicht nur ein Dorn im Augen vieler Männer war, sondern sich auch viele Feinde gemacht hat.
Immer wieder wurde Ghafari bedroht, und hat sich dennoch unermüdlich für die Rechte von Frauen und eine Gerechtigkeit in ihrem Land eingesetzt, wohl wissend, dass sie damit ihr eigenes Leben auf Spiel setzt. Mehr als einmal ist Ghafari dadurch Opfer von Tötungsversuchen geworden, die nicht nur körperliche Narben, sondern vermutlich auch seelische Wunden hinterlassen hat.
Selbst nachdem sie mit verbrannten Körpergliedern im Krankenhaus gelegen hatte und tagelang Höllenqualen gelitten hatte, hat sie nicht aufgegeben dafür zu kämpfen, woran sie glaubt. Und genau das hat die Terroristen in ihrem Land dazu gebracht, es auf anderem Wege zu versuchen, ihr zu schaden, indem sie ihr etwas genommen haben, das ihr alles bedeutet hat: Ihren Vater.
Ein Ereignis, das mir noch jetzt Gänsehaut hinterlässt. Jeder hätte es verstanden, wenn Ghafari spätestens zu diesem Zeitpunkt aufgegeben und zum Schutze von sich selbst, ihrem Mann und ihrer Familie geflüchtet wäre. Doch selbst dadurch konnten die Terroristen Ghafari nicht brechen - im Gegenteil, noch immer kämpft sie für Frauenrechte in Afghanistan.
Wie wir alles aus den Medien mitbekommen haben, ist es den Taliban vor rund zwei Jahren bedauerlicherweise erneut gelungen, die Macht in Afghanistan an sich zu reissen. Die Bilder von flüchtenden Afghan:innen gingen damals um die Welt. Darunter war auch Ghafari und ihre Familie, denen auch nichts anderes übrig blieb, um aus ihrem Land zu flüchten.
Die Geschichte von Zarifa Ghafari und ihrer Familie geht definitiv unter die Haut. Es gab viele Stellen, die mich emotional sehr mitgenommen haben - allen voran, der Tod ihres Vaters, der einfach erschütternd war. Doch obwohl die Autorin so viel Schreckliches mitmachen und mitansehen musste, beinhaltet die Erzählung ein Gefühl von Hoffnung, Stärke, Mut und Kampfeswille. Ich weiss nicht, woher Ghafari ihre Kraft hernimmt, doch es ist einfach bemerkenswert, dass sie selbst ihr eigenes Leben für ihre Überzeugung in Kauf nimmt und sich nicht von einer solchen schrecklichen Terrororganisation wie den Taliban einschüchtern lässt.
Trotz all des Lobes konnte ich aber letztendlich nicht ganze fünf Sterne vergeben. Und das lag daran, dass ich es schade fand, dass die Erzählung manchmal sehr sprunghaft ist und ich an der einen oder anderen Stelle gerne mehr Einblicke in Ghafaris Gefühlswelt gehabt hätte. Manchmal erwähnt sie einige geschichtliche Ereignisse nur beiläufig, sodass es hier sicher hilfreich wäre, sich vorgängig mit der Geschichte Afghanistans der letzten 20 - 30 Jahre zu beschäftigen, damit man auch ein Bild davon aus, worauf sich die Autorin in ihrem Buch bezieht.
Abschliessend noch ein Wort zur Sprecherin des Hörbuches: Sie hat eine wirklich angenehme Erzählweise und das Zuhören, trotz ernster Themen angenehm gestaltet.
2 Kommentare
Hallo liebe Mel,
AntwortenLöschenich muss zugeben, dass mir der Name Zarifa Ghafari bislang auch noch nichts sagte. Ich fand es beruhigend zu lesen, dass ich mit dieser Wissenslücke scheinbar nicht ganz alleine war.
Deine Rezension habe ich gerne und mit großen Interesse gelesen. Bereits an deinen Zeilen konnte ich - ohne das Buch gelesen zu haben - sehr gut nachvollziehen, warum dich die Geschichte von Zarifa Ghafari so berührt und stellenweise extrem mitgenommen hat. Mir ging es schon beim Lesen deiner Zeilen so. Ich frage mich, wie das Buch dann auf mich gewirkt hätte.
Ich danke dir für diesen fesselnden und sehr spannenden Einblick.
Ganz liebe Grüße
Tanja
Das kann ich gut nachvollziehen, denn ich kannte Zarifa vorher auch nicht. Falls du Netflix hast, kann ich dir ihre Dokumentation sehr ans Herz legen, denn dort wird Zarifas Geschichte noch einmal mit Videoaufnahmen der letzten paar Jahre erzählt.
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