(© Amazon / Egmont INK) |
Für immer Blue
von Amy Harmon
Bewertung: ★★☆☆☆
Contemporary Romance, 446 SeitenErscheinungsdatum: 1. Oktober 2015
Verlag: Egmont INK
Inhaltsangabe:
Die 19-jährige Blue Echohawk hat nur ein einziges Ziel: herausfinden, wer sie wirklich ist. Sie weiß nicht, woher sie kommt oder wer ihre Eltern sind, und fühlt sich nirgends dazugehörig. Auch unter ihren Kommilitonen ist sie eine Außenseiterin. Sie kleidet sich anders als die anderen, sie schminkt sich auffällig und umgibt sich mit den falschen Menschen. Blue spürt, wie ihr Leben ihr jeden Tag ein bisschen mehr zu entgleiten droht. Doch dann trifft sie auf Darcy Wilson, der – als Erster und Einziger – an sie glaubt und ihr zeigt, warum es sich lohnt, ein guter Mensch zu sein und für das Leben zu kämpfen. Blue entwickelt Gefühle für Darcy, obwohl sie weiß, dass eine Liebe zwischen ihnen unmöglich ist. Denn Darcy ist ihr Lehrer ... (© Amazon / Egmont INK)
Meine Meinung:
-- Achtung enthält Spoiler --
Eigentlich wollte ich keine Rezension zu diesem Buch schreiben, aber weil mir einige Aspekte der Geschichte so sauer aufgestossen sind, muss ich meinem Ärger irgendwie Luft machen. Eigentlich gehört Amy Harmon zu einer meiner Lieblingsautorinnen und sie konnte mich bisher stets mit ihren wundervollen Geschichten mitreissen und berühren. Aus diesem Grund waren meine Erwartungen an „Für immer Blue“ dementsprechend hoch, denn so eine Autorin kann einen doch nicht enttäuschen, oder?
Falsch gedacht! „Für immer Blue“ kommt nicht nur nicht an Harmons andere Bücher ran, es war sogar eine einzige Enttäuschung und hat mich stellenweise sogar ziemlich verärgert zurückgelassen. Schuld daran sind mehrere Punkte, die ich im Folgenden gerne etwas näher erläutern möchte, auch wenn ich bestimmt viele Kleinigkeiten, die mich während dem Lesen gestört haben, schon wieder vergessen (oder verdrängt) habe. Aber zumindest die gröbsten Kritikpunkte versuche ich zusammenzufassen. Wer das Buch noch nicht gelesen hat und es noch vorhat, sollte an dieser Stelle nicht weiterlesen, denn es folgen massive Spoiler!
Der fehlende rote Faden:
Selbst jetzt nachdem ich das Buch zu Ende gelesen (oder zumindest überflogen…) habe, erschliesst sich mir nicht ganz, was eigentlich der rote Faden des Buches war. Die Geschichte plätschert einerseits vor sich hin, greift dann aber immer mal wieder dramatische Themen auf, um sie dann kurze Zeit später durch total unangebrachte Zeitsprünge in der Versenkung verschwinden zu lassen. Man verfolgt zwar Blue in einem Abschnitt ihres Lebens, aber gleichzeitig weiss man als Leser bis zuletzt nicht, wohin die Geschichte eigentlich will. Hinzu kommt, dass (zumindest die deutsche) Inhaltsangabe total irreführend ist und überhaupt nicht dem entspricht, was man letztendlich zu Lesen bekommt. Es klingt so, als würde es sich um eine Liebesgeschichte zwischen einem Lehrer und einer Schülerin handeln, die aber in Wahrheit nur am Rande erzählt wird und damit sekundär für den Storyverlauf ist. Es erschliesst sich mir deshalb nicht, wieso bei der Inhaltsangabe der Fokus auf diese Liebesgeschichte gelegt wurde – aber vielleicht lag das auch daran, dass dem Verlag selbst nicht klar war, um was es in der Geschichte eigentlich geht ;)
Die ausgelutschte Lehrer-Schüler-Romanze:
Obwohl der Fokus nicht zu stark auf diese Beziehung gelegt wurde, fand ich diese angedeutete Lehrer-Schüler-Liebe so ausgelutscht, wie ein kitschiger 0815-Liebesroman, den es schon zuhauf gibt. Hinzu kommt noch, dass mir der geringe Altersunterschied einfach ZU unrealistisch schien. Kann man in Amerika wirklich mit 21 bereits Lehrer für eine Horde pubertierender High School Schüler sein? Die Autorin hat zwar versucht, Wilsons Bildungsweg im Buch zu erläutern, aber das half nicht darüber hinweg, dass ich das Alter für eine Lehrperson einfach total unrealistisch fand. Aber eine Romanze zwischen einem 30+ jährigen Lehrer und einer High School Schülerin wäre im prüden Amerika ohnehin undenkbar und verpönt, so dass das Buch vermutlich gleich auf der schwarzen Liste gelandet wäre ;) Um dies zu verhindern, hat sie Blue sicherheitshalber gleich zu einer 20-jährigen Schülerin gemacht… Auch wenn mir schleierhaft ist, weshalb sie mit 20 noch zur High School geht.
Der unsympathische Hauptcharakter:
Es passiert mir wirklich selten, dass ich einen Hauptcharakter so gar nicht ausstehen kann, gerade wenn es eine junge, vom Schicksal gebeulte Frau wie Blue ist. Und dennoch konnte ich während der gesamten Geschichte zu keinem Zeitpunkt Sympathien, geschweige denn Mitgefühl für sie aufbringen. Im Gegenteil, ich fand Blue so dermassen unsympathisch und nervig, dass ich einige Male kurz davor war, meine Augen zu verdrehen. Mir ist klar, dass sie aufgrund ihrer schwierigen Hintergrundgeschichte nicht der fröhlichste Mensch auf Erden sein kann, aber muss wirklich jeder ihrer Sätze vor Zynismus triefen? An Wilsons Stelle hätte ich schon sehr bald meine Geduld (und vor allem mein Interesse!) an dem Mädchen verloren. Egal was er sagt, Blue findet immer eine Möglichkeit, ihm die Worte im Mund umzudrehen und eine zickige Antwort zu finden, die sie wie ein trotziges Kleinkind haben erscheinen lassen.
Die Sache mit dem Geschichts-/Literaturunterricht:
Ja, Wilson ist Lehrer. Und ja Blue ist seine Schülerin und muss zu ihm in den Unterricht. Aber bedeutet das wirklich, dass ich als Leser an fast jeder Geschichtsstunde teilhaben muss?! Was anfangs noch informativ und interessant klang, wurde irgendwann einfach nur noch öde und monoton. Wenn ich etwas über Julius Cäsar erfahren will, dann kann ich das auch ganz einfach bei Wikipedia nachlesen, dafür muss ich keine Belletristik lesen. Schön, dass die Autorin scheinbar ein Interesse für geschichtsträchtige Literatur hat und ihr Wissen zum Besten geben will, aber weniger wäre definitiv mehr gewesen.
Und das führt mich auch gleich zum nächsten Punkt: Blue’s Hausaufgabe, bei der sie in einem Aufsatz mehr über sich preisgeben soll. Die Idee mag ja verlockend klingen und auch die Metapher mit der Amsel fand ich anfangs noch sehr ansprechend, aber wieso muss die komplette Geschichte in praktisch jedem Kapitel in der ersten Hälfte des Buches immer und immer wieder abgedruckt werden? Das Ganze hätte doch viel mehr Wirkung gehabt, wenn nur die Absätze, die Blue neu geschrieben hat, abgedruckt und hervorgehoben worden wären. So wirkte das alles auf mich einfach nur redundant, so dass ich nach einer Weile den kompletten Aufsatz rund um die kleine Amsel überflogen hatte. Das hätte man sicher geschickter lösen können.
Der (versuchte) „Amoklauf“:
Damit wären wir auch schon bei dem Kritikpunkt, der mich am meisten verärgert und gestört hat. Ganz zu Beginn der Geschichte wird Blue noch von Manny – einem ihrer einzigen Freunde – begleitet, der immer wieder Erwähnung findet, bis es in einem Kapitel zum Eklat kommt: Manny taucht mit einer Waffe in der Schule auf und will Brandon, einer seiner Mitschüler, erschiessen, der unerlaubterweise Nacktbilder von Mannys Schwester verbreitet hat.
Ähm… bitte was?! Dieses Ereignis war so aus der Luft gegriffen und entsprach überhaupt nicht Mannys bis dahin präsentiertem Charakter, weshalb ich während des Lesens die meiste Zeit über dachte, dass Blue das Ganze nur träumt. Aber dem war (leider) nicht so. Zu Mannys Glück kommt es zu keinem Blutvergiessen und Blue schafft es relativ schnell, ihn durch gutes Zureden davon abzuhalten, Brandon oder einen anderen Schüler zu erschiessen. Und als wäre dieser potentielle „Amoklauf“ nicht geschmacklos und unpassend genug gewesen, wird nach dem Ende des Kapitels einfach mal ein Zeitsprung von mehreren Monaten gemacht, so dass sowohl Manny, als auch sein Mordversuch praktisch keine weitere Erwähnung mehr in der restlichen Geschichte finden. (Ausser wenn es darum geht, Blue als angebliche Heldin zu erwähnen…)
WHAT THE FUCK?!
Ich kann mir einfach nicht erklären, was die Autorin mit diesem Ereignis bezwecken wollte und ich befürchte, dass es einzig und allein der Effekthascherei diente und dafür, Blues Leben einmal mehr mit einem überdramatischen Ereignis zu versehen. Grundsätzlich ist das Thema Amoklauf gerade in den USA und der dortigen Waffenpolitik ein wichtiges und ernstzunehmendes Thema, das es definitiv verdient, seine Erwähnung zu finden. Aber wenn man sich dafür entscheidet, dann soll man sich doch bitte auch genügend Zeit dafür nehmen, etwaige Hintergründe oder Abläufe möglichst realistisch zu schildern. Für mich hat dieser „Amoklauf“ weder in die Geschichte, noch zu Mannys Charakter gepasst. Und das allerschlimmste fand ich, dass danach nicht weiter auf diese doch sehr ernste Thematik eingegangen wird und alles mit einem Zeitsprung in der Versenkung verschwindet, als wäre nie etwas passiert. Auch von Manny selbst erfährt man im weiteren Verlauf nichts mehr. Da hätte ich definitiv mehr Feingefühl von Amy Harmon erwartet, zumal das Ereignis letztendlich absolut irrelevant für den Storyverlauf gewesen ist, denn es hat Blues Geschichte in fast keiner Weise beeinflusst.
Die ungeplante Schwangerschaft:
Und als wäre das bis hierhin noch nicht genug Drama gewesen, muss natürlich noch eine ungeplante Schwangerschaft eingebaut werden. Es ist ja nicht so, als hätte Blue nicht schon genug erlebt, man kann schliesslich immer noch eine mehr Schippe drauf legen, oder? Die zweite Hälfte des Buches beschäftigt sich hauptsächlich mit diesem Thema und Blues Entscheidung, das Kind zur Adoption freizugeben. Das wäre an und für sich noch akzeptabel gewesen, doch Blue möchte, dass Wilsons Schwester – die bis anhin kinderlos geblieben ist – das Kind adoptiert. Macht ja auch total Sinn, denn das eigene Kind einer Person zu geben, die man zukünftig regelmässig sieht, ist selbstverständlich nicht total hirnrissig. Aber wer will bei all dem unglaubwürdigen Drama noch nach Logik suchen? Es klingt ja schliesslich einfach besser, wenn Blue das Kind einer Person gibt, der sie vertraut, als irgendeiner wildfremden Familie… That’s not how adoption works. Aber wen kümmert’s, oder?
Das klingt jetzt alles sehr fies, aber ich musste einfach Dampf ablassen, weil mich das Buch so verärgert zurückgelassen hat. Ich muss aber gestehen, dass ich es spätestens nach diesem „Amoklauf“ teilweise nur noch quergelesen und überflogen habe, so dass mir einzelne Details vielleicht durch die Lappen gegangen sind, die o.g. Kritikpunkt nur ein klein wenig plausibler machen könnten.
Und um die Rezension halbwegs versöhnlich zu beenden, möchte ich euch natürlich die wenigen positiven Aspekte, die ich mir gefallen hatten, nicht vorenthalten:
Der Schreibstil:
Amy Harmon hat wie gewohnt einen wunderbaren Schreibstil.
Person of Color (POC):
Wie auch schon in „The Law of Moses“, widmet die Autorin auch hier POC wieder genügend Aufmerksamkeit. Dieses Mal stehen die amerikanischen Ureinwohner, von denen Blue abstammt, im Vordergrund, mit deren Kulturen sich die Autorin auseinander gesetzt zu haben scheint.
Fazit: Es scheint so, als hätte die Autorin nahezu jedes Thema in die Geschichte gepackt, das Blues Geschichte auf irgendeine Weise möglichst dramatisch gestaltet hat, ohne dass das Meiste davon wirklich relevant für den weiteren Storyverlauf gewesen ist. Das wirkte auf mich wie mangelnde Sensibilität im Umgang mit ernsten und schwierigen Themen, die immer wieder angeschnitten, aber nicht tiefergehenden thematisiert wurden. Weniger wäre in diesem Fall definitiv mehr gewesen. Ich hoffe, das nächste Werk der Autorin kann mich mehr überzeugen.
Keine Kommentare