(© Lübbe Audio) |
Friends, Lovers and the Big Terrible Thing*
von Matthew Perry
Gelesen von Peter Lontzek & Kordula Leiße
Bewertung: ★★★★☆
Memoir, AudiobookSpieldauer: 9 Stunden und 33 Minuten
Erscheinungsdatum: 02. Februar 2023
Verlag: Lübbe Audio
Inhaltsangabe:
Durch sein Mitwirken in der US-Kultserie FRIENDS erreichte der Schauspieler Matthew Perry Weltruhm. Erstmals erzählt er nun seine eigene Geschichte und berichtet ungeschönt von seinem Aufwachsen als Scheidungskind, einem unsteten Leben zwischen Kanada und Kalifornien, Humor als Coping-Mechanismus, dem steilen Aufstieg als Schauspieler - und seinem schwindelerregenden Fall, bedingt durch Alkohol und Drogen. Ein Hörbuch, das die Magie von FRIENDS heraufbeschwört, zu Tränen rührt und ungeahnte Einblicke in ein bewegtes Leben erlaubt.
Meine Meinung:
Dieses Hörbuch stand eigentlich schon seit dem Erscheinungstermin Anfang 2023 auf meiner "interesting"-Liste, ich hatte jedoch viele kritische Rezensionen zum Inhalt gelesen, sodass ich zunächst hin- und hergerissen war, ob ich es wirklich lesen bzw. hören sollte.Nachdem Matthew Perry Ende 2023 schliesslich überraschend infolge einer Überdosis Ketamin in seinem Hauspool ertrunken war, konnte ich dann nicht mehr anders, als in seine Lebensgeschichte reinzuhören.
Das Buch liest sich definitiv anders, nachdem Perry inzwischen tot ist. Das fängt schon mit der Einleitung seiner Schauspielkollegin Lisa Kudrow an, die schreibt "Entgegen aller Wahrscheinlichkeit hat er überlebt. Aber mir war nicht klar, wie oft er es fast nicht geschafft hätte."
Diese Worte machen bereits bei der Einleitung klar: Matthew Perrys Buch über sein Leben ist keine Geschichte, die Hoffnung vermittelt. Denn geschafft hat er es am Ende doch nicht.
Perry beginnt seine Erzählung mit seiner Kindheit in Kanada. Wie es für ihn war, nachdem sich seine Eltern getrennt hatten. Wie er zum ersten Mal Drogen und Alkohol konsumiert hat und wie schnell die Sucht ihn überkommen hatte. Wie er schliesslich zu seinem Vater nach Los Angeles gezogen ist, seine Anfänge in Hollywood gemacht und natürlich auch, wie er zu seiner bekanntesten und erfolgreichsten Rolle des Chandler Bing in der Serie FRIENDS gekommen ist. Und wie es nach seinem Serienerfolg für ihn weitergegangen ist.
Die Geschichten im Buch sind insgesamt sehr redundant, denn Perry verfällt relativ rasch den Drogen, macht einen Entzug, wird wieder rückfällig und das ganze Spielchen geht von vorne los. Und das zieht sich von 1996 bis zu seinem Tod 2023 und somit durch das ganze Buch hinweg so durch. Durch den jahrelangen Konsum verschiedener Medikamente und auch Alkohol leidet seine Gesundheit sehr und der Schauspieler gerät immer wieder durch seinen Konsum in lebensbedrohliche Situationen, in denen er nur knapp dem Tod entrinnt. Leider konnten ihn aber selbst diese Nahtoderfahrungen nicht vom Konsum abhalten. Sie waren zwar meistens erschreckend, hatten aber dann lange Behandlungen und viele Operationen zur Folge, die mit Schmerzen verbunden waren, die dann wiederum mit Schmerzmitteln und anderen Medikamenten behandelt wurden, sodass Perry diesem Teufelskreis seiner Medikamentensucht nicht entkommen konnte.
Trotz zahlreicher Entzüge, Rehas und Therapien und AA-Sitzungen hat er es nie wirklich geschafft, über längere Zeit abstinent zu bleiben. Fraglich ist auch, ob er das überhaupt wollte, denn oftmals war der Schauspieler nicht mal während den Entzügen wirklich clean, sondern hat heimlich weiterkonsumiert. Dabei hat sein Reichtum und seine Bekanntheit wohl nicht gerade geholfen, denn vermutlich war Perry sein ganzes Leben lang von "Enablern" umgeben, sodass auch Fachpersonen in Krankenhäusern oder Kliniken oftmals den Wunsch nach mehr Medikamenten einem Hollywoodstar nicht ausschlagen konnten.
Was im Buch besonders heraussticht, sind die Gründe für Perrys beginnenden und später auch anhaltenden Konsum. Obwohl er eigentlich keine schwierige Kindheit im Buch beschreibt, litt Perry trotzdem seit seiner Kindheit an einem unveränderlichen Drang nach Anerkennung. Und dieses Bedürfnis konnte selbst dann nicht gestillt werden, als er auf dem Höhepunkt seiner Karriere war und (laut eigenen Worten) sich die Frauen scharenweise zu seinen Füssen legten. Egal wie viel er erreicht hatte, sein niedriges Selbstwertgefühl schien sich nie zu verändern und das einzige, dass ihm dieses Gefühl, nicht zu genügen nahm, waren die Drogen.
Ich fand es erstaunlich, dass er es trotz jahrelanger Therapie nicht geschafft hat, an diesem Thema zu arbeiten. Aber vermutlich war er dazu auch einfach nie lange genug clean, um sich wirklich mit seinem Innersten beschäftigen zu können. Und dadurch empfinde ich wirklich ein starkes Mitleid für ihn.
Was mich etwas überrascht, war, dass Perry in all den Jahren nie wirklich eine negative Presse erhalten hat. Obwohl er ständig gelogen hat, fremdgegangen ist und auch bei der Arbeit nicht immer zuverlässig war, hatte er ein Bild in der Öffentlichkeit, als wäre er in ganz Hollywood als ein liebenswerter, warmherziger, loyaler und humorvoller guter Freund bekannt. Selbst vor seinem Tod haben alle immer höchsten Tönen von ihm gesprochen und ich habe nie einen Skandal um ihn mitbekommen, wie es bei anderen Süchtigen aus der Branche wie etwas Charlie Sheen oder Amy Winehouse der Fall war. Ich verstehe auch nicht, wie er es trotz ständigem Konsum geschafft hat, seine Rolle als Chandler während 10(!) Jahren zuverlässig nachzukommen, denn das Bild, dass Perry in seinem Buch von sich zeichnet, ist ein ganz anderes. Dadurch hatte ich wirklich Mühe, ihn mir als diesen lügenden, betrügenden Süchtigen vorzustellen, den er selbst im Buch beschreibt. Denn für mich hatte der Schauspieler immer ein Saubermann-Image in der Öffentlichkeit, das sich so gar nicht mit den Erzählungen aus dem Buch vereinbaren lässt.
Perrys Buch ist bei vielen Leser:innen sauer aufgestossen, nachdem es erschienen ist. Er wird als narzisstisch und misogyn kritisiert - und beides zurecht. Er macht viele Äusserungen in seinem Buch, die hochproblematisch sind. An einer Stelle schreibt er zum Beispiel, wieso so schöne Menschen wie River Phoenix sterben mussten, während jemand wie Keanu Reeves noch lebt - ohne genauer darauf einzugehen, was er damit meint oder wieso er sowas denkt. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.
Ich habe jedoch selbst im Suchtbereich gearbeitet und fand es aus dieser Perspektive hoch faszinierend, seiner Erzählung zu lauschen, denn es werden zwischen den Zeilen viele Aspekte deutlich, die ich auch bei anderen Süchtigen gesehen habe - und ja, das sind leider die Aspekte, die Personen mit Suchterkrankungen nicht unbedingt sympathisch machen. Ein Aspekt ist zum Beispiel, dass sich Perry immer wieder in die Opferrolle begibt und äussere Umstände für seinen Zustand verantwortlich macht. Es scheint immer wieder durch, dass er seine Eltern für seinen Konsum die Schuld gibt und das selbst noch nach mehreren Jahrzehnten.
Er hat zudem viele seiner Ex-Partnerinnen auf sehr unschöne Art und Weise verlassen, sogar Doppelbeziehungen geführt oder seinen Promistatus ausgenutzt, um schnellen Sex mit Frauen zu haben. Und doch fand er es unverschämt, als eine seiner Ex-Partnerinnen ihm lange nach der Trennung mitgeteilt hat, dass sie heiraten werde und keine Freundschaft mehr mit ihm führen möchte, weil er sowas ja nie tun würde. Das zeigt, wie realitätsfremd Perry eigentlich war, was seine eigenen Handlungen und Verfehlungen angeht, besonders im Umgang mit den Frauen in seinem Leben. Er versucht sich immer wieder, als tragischen Helden darzustellen, was seine Beziehungen angeht. Aber ehrlich gesagt war es manchmal einfach nur ein egozentrisches Arschloch.
Perrys ganze Lebensgeschichte ist von Rückfällen geprägt und ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass er das Buch positiv enden lassen würde. Und doch beschreibt er wie aus dem Nichts, dass er 2022 wie geläutert war, nachdem er zum x-ten Mal am Bauch operiert und dazu angehalten wurde, dass er sterben wird, wenn er weiterkonsumiert. Durch Hypnose hat er es geschafft, das Rauchen zu stoppen und auch sonst hat er sich von allen Substanzen verabschiedet und lebt clean. Das fühlt sich fast wie ein Happy End aus einem Hollywoodfilm an, das man nicht glauben kann.
Und genau so war es auch. Denn weniger als ein Jahr nach dem Erscheinen seines Buches ist er an den Folgen seines Konsums gestorben. Und das erhärtet den Verdacht, dass dieses ausgemalte Happy End wohl eher Perrys Wunschdenken war, und er nicht nur sich selbst, sondern die ganze Welt angelogen hat. Und so ist die Sucht eben. Das weiss ich aus beruflichen und privaten Kontexten. Manchmal gibt es kein Happy End. Und manchmal will man auch nicht aufhören und nimmt sogar den Tod in Kauf.
RIP Matthew Perry. Es tut mir im Herzen leid, dass du es bis zu deinem Tod nicht geschafft hast, deinen unersättlichen Wunsch nach Anerkennung zu überwinden.
Fazit:
Matthew Perrys Lebensgeschichte endete leider mit keinem Happy End. Ursprünglich war das Buch gedacht, Menschen mit einer Sucht zu helfen und Hoffnung zu vermitteln. Aber ich denke, das Buch ist nichts, das Hoffnung macht. Es zeigt eher auf realistische Art auf, welches tragische Ende eine Sucht manchmal nehmen kann.
Ein äusserst tragisches Buch, das den Schauspieler nicht unbedingt in einem positiven Licht erscheinen lässt und dennoch unglaublich unter die Haut geht, weil wir nun alle wissen, wie Perrys Geschichte ausgeht - selbst ohne das Buch gelesen zu haben.
Ein äusserst tragisches Buch, das den Schauspieler nicht unbedingt in einem positiven Licht erscheinen lässt und dennoch unglaublich unter die Haut geht, weil wir nun alle wissen, wie Perrys Geschichte ausgeht - selbst ohne das Buch gelesen zu haben.
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