[Rezension] Du darfst nicht alles glauben, was du denkst: Meine Depression

by - August 04, 2024

(© Argon)

Du darfst nicht alles glauben, was du denkst: Meine Depression
von Kurt Krömer
Gelesen von Kurt Krömer

Bewertung: ★★☆☆☆

Memoir, Audiobook
Spieldauer: 4 Stunden und 21 Minuten
Erscheinungsdatum: 01. März 2022
Verlag: Argon


Inhaltsangabe:
»Ich war dreißig Jahre depressiv. 
Ich muss damit leben. Und ich habe keinen Bock, das zu verheimlichen.« Alexander Bojcan ist 47 Jahre alt, trockener Alkoholiker, alleinerziehender Vater und er war jahrelang depressiv. Auf der Bühne und im Fernsehen spielt er Kurt Krömer. Er will sich nicht länger verstecken. Dies ist der schonungslos offene und gleichzeitig lustige Lebensbericht eines Künstlers, von dem die Öffentlichkeit bisher nicht viel Privates wusste. Alexander Bojcan bricht ein Tabu und das tut er nicht um des Tabubrechens willen, sondern um Menschen zu helfen, die unter Depressionen leiden oder eine ähnliche jahrelange Ärzteodyssee hinter sich haben wie er selbst.

Meine Meinung:

Ich möchte zunächst positiv hervorheben, dass ich es wichtig und bewundernswert finde, dass Alexander Bojcan aka. Kurt Krömer öffentlich über seine Depressionen spricht und so einen Teil zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen beiträgt. Gut gefallen hat mir auch, dass er professionelle Hilfe in Anspruch genommen hat und positiv darüber spricht. Wenn dieses Buch dazu beiträgt, dass Menschen mit Depressionen, die dieses Buch lesen (oder hören), sich nicht alleine mit ihrer Diagnose fühlen und/oder durch das Buch vielleicht sogar den Mut fassen, sich Hilfe zu holen (in welcher Form auch immer), dann wurde das Wichtigste erreicht.

That being said, kann ich aber dennoch nicht mehr als 2 Sterne vergeben, denn inhaltlich hat mir das (Hör-)Buch wenig gegeben. Ich weiss nach dem Hören dieses Hörbuchs nun nicht viel mehr über Kurt Krömer, ausser, dass er Depressionen und ein Alkoholproblem hatte, alleinerziehender Vater ist und er eine stationäre Therapie gemacht hat. Das Hörbuch dauert nur knapp 4 1/2 Stunden, die Buchvorlage ist nur etwas über 200 Seiten lang und trotzdem hätte der ganze Inhalt meiner Meinung nach auf 20 Seiten oder eine halbe Stunde herunter gekürzt werden können.
Die Erzählung wirkt auf der einen Seite sehr unstrukturiert. Auf der anderen Seite wiederholt sich Kurt Krömer in den wild zusammengewürfelten, nicht immer chronologisch folgenden Kapiteln so viele Male, dass ich am Ende fast mein Handy gegen die Wand gepfeffert habe, wenn ich noch einmal hören musste, dass er alleinerziehender Vater ist.
Was ich sehr schade fand, war, dass die Erzählung absolut oberflächlich bleibt. Ich gestehe jedem "Promi" gern zu, seine Privatsphäre schützen zu wollen, aber wenn man sich schon entscheidet, ein Buch über ein persönliches Thema zu veröffentlichen, dann funktioniert das leider nicht mehr. Und die Folge war hier, dass mir Krömers Geschichte zu wenig in die Tiefe ging.
So richtig erfahren wir eigentlich nichts über die Privatperson hinter Kurt Krömer und was wirklich zu seinem Alkoholproblem und seinen Depressionen beigetragen hat - abgesehen davon, dass er an einer Stelle kurz seinen Vater und dessen Alkoholproblem erwähnt. Auch wie er aus beidem wieder herausgefunden hat, bleibt mir ein Rätsel. Ich habe selbst lange im Suchtbereich mit alkoholabhängigen Menschen gearbeitet, und dass er eines Tages scheinbar einfach so mit dem Trinken aufgehört hat, weil er nicht so werden wollte, wie sein Vater, scheint mir aufgrund meiner praktischen Erfahrungen in diesem Feld doch sehr unglaubwürdig und zu einfach dargestellt. Und so ähnlich war es auch mit seinen Depressionen. Er stellt sich als schwer depressiv hin, kann seine 8-wöchige stationäre Therapie aber für eine Woche unterbrechen, um arbeiten zu gehen? Das geht für mich nicht ganz auf.

Die letzte Stunde dieses kurzen Hörbuchs befasst sich dann nur noch mit einem Griechenlandurlaub, den Krömer nach seiner Therapie mit seinen Kindern unternommen hat und gefühlt ewig in die Länge gezogen wird, ohne dass diese Reise inhaltlich irgendetwas Relevantes für mich als Zuhörerin zutage gebracht hat. Das hat sich am Ende nur noch wie ein Lückenfüller angefühlt.

Fazit:

Es ist wichtig und gut über psychische Erkrankungen offen zu sprechen und es ist mutig, dass Kurt Krömer dies als prominente Persönlichkeit gemacht hat. Aber abgesehen davon hat mich das Buch inhaltlich enttäuscht, weil es für meinen Geschmack viel zu oberflächlich und undifferenziert war. Die wenigen Infos, die Krömer hier über seine Depressionen zutage bringt, hätten auch in einem 30-minütigen Podcast-Interview erzählt werden können und waren mir für ein eigenständiges Buch zu wenig Stoff.

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4 Kommentare

  1. Huhu Mel :)

    Ich lese/höre ja eher selten Biografien, aber das Buch habe ich tatsächlich vor kurzem auch gehört. Und teile an vielen Stellen deine Meinung, was die Inhalte angeht. Vor allem bei der Unstrukturiertheit und dem Wiederholen der permanent gleichen Sachen. Wie du sagst, dass er alleinerziehend ist, konnte man irgendwann nicht mehr hören.

    Zur Alkoholsucht kann ich wenig sagen - beruflich hab ich als Sozialpädagogin eher mit Depressionen zu tun. Viele Beschreibungen fand ich da sehr passend - vor allem für jemand, der sich selbst in der Lage befindet und es vielleicht noch nicht einordnen kann. Was daraus folgt ... nun ja. So viele warten schier ewig auf Therapiemöglichkeiten oder einen Psychologentermin. Und für so viele reichen eben auch 8 Wochen nicht. Jeder bekommt meinen Respekt, der das schafft, keine Frage und ich kann auch nicht sagen, dass er etwas unrealistisches erzählt. Aber für viele sieht die Realität eben anders und ich tue mich vor allem schwer mit der Aussage, dass er sich "als geheilt" bezeichnet. Dass er das fühlt, kann ich nachvollziehen, aber realistisch gesehen ist man nie geheilt und wird immer mal kleine Momente haben, in denen die Depression durchschaut. Sicher, es ist kein Fachbuch, also erwarte ich solche Aussagen auch gar nicht. Aber leider kenne ich auch zu viele, die das dann für bare Münze nehmen, was absolut fatal sein kann. Wahrscheinlich hab ich mir da einfach ein bisschen mehr Sensibilität gewünscht.

    Viele Grüße
    Andrea

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    1. Ja, das mit dem alleinerziehend wird auch in nahezu jeder Rezension kritisch hervorgehoben, die ich zum Buch gelesen habe. Vor allem aus weiblicher Perspektive liest sich das schon sehr befremdlich, wenn man bedenkt, dass es statistisch gesehen, wahrscheinlich deutlich mehr alleinerziehende Frauen, als Männer gibt, die noch dazu ohne fremde Betreuungshilfe auskommen müssen.

      Ja, grundsätzlich will ich Krömer keinesfalls absprechen, dass er Depressionen hatte. Es bleibt bei mir nur die Frage offen, wie schwerwiegend diese tatsächlich waren, weil er doch den Umständen entsprechend noch gut funktioniert hat.

      Ja, ein Fachbuch muss es nicht sein, aber für eine persönliche Erzählung bleibt mir das alles ein bisschen zu oberflächlich.

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  2. Hallo liebe Mel,

    ich mag mir kein großes Urteil über das (Hör-)Buch bilden, da ich selbst zu wenig Bücher zu diesem Thema und auch so gut wie keine Biografien lese/höre.

    Deine Worte klingen für mich aber durchaus nachvollziehbar. Ich würde jetzt kein Fachbuch mit Praxistipps hinter dieser Erzählung erwarten. Aber schon etwas mehr inhaltliche Tiefe.

    Ich bin sehr skeptisch, was die Veröffentlichung von Persönlichem betrifft. Aber wie du schon schreibst: Wenn man sich denn dafür entscheidet ein Buch rauszubringen, dann muss man auch schon ein wenig Inhalt präsentieren.

    Liebe Grüße
    Tanja

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    1. Ja, das kann ich verstehen. Ich habe auch kein Fachbuch erwartet oder Praxistipps - im Gegenteil. Mir haben tatsächlich mehr die persönlichen Einblicke gefehlt, die ich bei Memoiren oder Autobiografien erwarte.

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