[Rezension] Der Atem einer anderen Welt

by - Oktober 16, 2021

(© Fischer Tor)

Der Atem einer anderen Welt (Wayward Children #1-3)
von Seanan McGuire

Bewertung: ★★★☆☆

YA Fantasy, 464 Seiten
Erscheinungsdatum: 23. Januar 2019
Verlag: Fischer Tor


Inhaltsangabe:
Kinder und Jugendliche sind zu allen Zeiten in Kaninchenlöcher gefallen, durch alte Kleiderschränke ins Zauberland vorgestoßen oder auf einer Dampflok in magische Welten gereist. Aber … was geschieht eigentlich mit denen, die zurückkommen?
Mit Nancy, die die Hallen der Toten besucht hat und den Rest ihres Lebens am liebsten still wie eine Statue verbringen würde.
Und mit Christopher, den Jungen mit der Knochenflöte, der die Toten für sich tanzen lassen kann.
Sumi, die das Chaos braucht wie die Luft zum Atmen, weil sie aus einer Unsinnswelt kommt.
Oder Jack & Jill, die mit Vampiren und Wissenschaftlern unter einem blutig-roten Mond aufgewachsen sind.

Meine Meinung:

Die Reihe rund um die Wayward Children stand schon lange auf meiner Leseliste. Im englischen Original sind die einzelnen Geschichten mit unterschiedlichen Protagonist:innen als einzelne Bände erschienen und von den (bisher) insgesamt geplanten 10 Bänden, sind inzwischen 6 auf Englisch veröffentlicht worden. Bei der deutschen Übersetzung hat man sich dagegen entschieden, die ersten drei Bände in einem Buch zu veröffentlichen - was vermutlich daran liegt, dass die einzelnen Geschichten nur rund 170 Seiten umfassen.

Auf einer bekannten Verkaufsseite wird das Buch mit den Worten "für alle Fans von Ransom Riggs, C.S. Lewis und Philip Pullman" beworben und ich finde, dieser Satz trifft den Nagel (fast) auf den Kopf, auch wenn ich den letzten genannten Autor eher mit Lewis Carroll austauschen würde, denn die skurrilen Welten und die Idee aus McGuires Buch erinnert sehr stark an "Alice im Wunderland". Die Ähnlichkeit zu C.S. Lewis und seiner Narnia Reihe besteht darin, dass die Wayward Kinder die magischen Welten über eine Tür erreichen und der Vergleich mit Ransom Riggs liegt darin begründet, dass es (vor allem im ersten Band) um eine Schule geht, in dem die zurückgekehrten Kinder nach ihren magischen Abenteuern ein Zuhause finden, weil sie sich nicht mehr in die reale Welt einfügen können.
Man sieht also, dass McGuire sich von diversen bekannten Jugendbüchern hat inspirieren lassen, und dennoch ist es ihr gelungen, etwas ganz Eigenes aus ihrer Idee zu machen. Was mir besonders positiv aufgefallen ist, war einerseits der düstere, makabere und skurrile Erzählstil, auf der anderen Seite aber auch die Diversität, die Autorin in ihre Geschichten mit einfliessen lassen hat: Von Asexualität, über Transgender bis hin zu Adipositas sind viele wichtige Themen enthalten. Dafür gibt es einen dicken Pluspunkt!

Da die einzelnen Geschichten in sich abgeschlossen sind und sich für mich nicht gesamthaft bewerten lässt, möchte ich nachfolgen kurz einige Gedanken zu den jeweiligen drei Bänden äussern, die in diesem Buch enthalten sind.

Der Atem einer anderen Welt (Band 1): ★★★★☆

Die erste Geschichte handelt von Nancy, die neu an Eleanor West's Schule für die Wayward Children ist. Ihre Reise durch die Tür hat sie ins Reich der Toten geführt, wo ihre Aufgabe darin bestanden hat, so still wie eine Statue zu stehen. Eine Fähigkeit, die sie zuletzt nahezu perfektioniert hatte. Und obwohl sich das für Aussenstehende (wie mich) langweilig anhören mag, so würde Nancy alles dafür geben, wieder dorthin zurückkehren zu können. Da dies aber nicht einfach so möglich ist, bleibt Nancy nichts anderes übrig, als sich in Eleanors Schule zurechtzufinden. Und dadurch lernt nicht nur Nancy, sondern auch wir Leser:innen die Schule der Wayward Children, die unterschiedlichen Welten, die sich hinter den Türen befinden können und einige andere zurückkehrte Kinder und Jugendliche kennen, die in späteren Bänden eine Hauptrolle übernehmen.
Die erste Geschichte hat mir sehr gut gefallen, nicht nur, weil die skurrile Welt ganz neu für mich war, sondern auch, weil der Plot im ersten Band sehr spannend war: Kurz nach Nancys Ankunft an der Schule, werden nach und nach Charaktere, die wir gerade erst kennenlernen durften, nach und nach auf brutale Art und Weise ermordet und es gilt herauszufinden, wer hinter diesen Morden steckt.
Die Auflösung hat mich zwar nicht so richtig vom Hocker gehauen, aber insgesamt hat mich dieser erste Band gut unterhalten, auch wenn es aufgrund der Kürze natürlich an Tiefe gefehlt hat - sowohl was das Worldbuilding, als auch die Charaktere angeht,

Unter einem roten Mond (Band 2): ★★☆☆☆

Der zweite Band verläuft ganz anders als der erste, denn die Handlung beleuchtet die Vergangenheit von Jack und Jill näher, die wir bereits im ersten Band kennengelernt haben. Damit ist diese Fortsetzung nicht wirklich ein "Sequel", sondern vielmehr ein "Prequel". Wir erfahren nicht nur etwas mehr über ihre Vorgeschichte (und ihre schrecklichen Eltern), sondern auch, was sich bei ihrem Abenteuer nach Betreten der magischen Tür abgespielt hat.
Obwohl ich es toll fand, dass zwei Charaktere mehr Tiefe bekommen haben, die mir gerade im ersten Band gefehlt hat, konnte mich die Handlung dieses zweiten Bandes irgendwie nicht packen. Mein Desinteresse wurde sogar so gross, dass ich den zweiten Band irgendwann nur noch quergelesen habe.
Ich kann nicht einmal genau benennen, woran es lag, aber ich fand den Plot schlicht und ergreifend langweilig und irgendwie habe ich auch die Schule und die anderen Charaktere aus dem ersten Band vermisst.

Süsser Unsinn (Band 3): ★★★☆☆

Der Einstieg in den dritten Band hat mir wieder besser gefallen, denn dieser spielt wieder in der Schule der Wayward Children, sodass wir viele altbekannte Charaktere aus dem ersten Band wiedertreffen. Protagonistin des dritten Bandes ist Rini, ein junges Mädchen, das aus dem Nichts in der Wayward Schule erscheint und erschienen ist, um ihre verstorbene Mutter zu suchen. Leider muss Rini feststellen, dass ihre Mutter zu einer der ermordeten Personen aus dem ersten Band gehört, was jedoch bedeuten würde, dass sie nie geboren werden würde. Deshalb versucht sie mithilfe einiger anderer Wayward Children ihre Mutter wieder zum Leben zu erwecken. Ihre Reise führt die Jugendlichen unter anderem in das Reich der Toten, wo wir auf ein altbekanntes Gesicht treffen, das bei mir eine Wiedersehensfreude ausgelöst hat.
Der Plot endet schliesslich in Rinis Heimat, die zwar sehr amüsant beschrieben wird und aus vielen essbaren Leckereien besteht, aber irgendwann war dann doch wieder die Luft draussen und die Geschichte hat mich im letzten Drittel irgendwie verloren.

Fazit:

"Der Atem einer anderen Welt" ist eine Mischung aus "Alice im Wunderland" und "Die Insel der besonderen Kinder" und entführt uns Leser:innen in äusserst skurrile magische Welten. Obwohl ich die Idee und auch den makaberen Erzählstil sehr mochte, konnte mich nicht jede der drei Geschichten vollends überzeugen. Durch die Kürze der einzelnen Bände, fehlt es oftmals an Tiefe - sowohl was die Charaktere, als auch den Plot angeht. Insgesamt sind die Geschichten aber dennoch kurzweilig. Wer mal was anderes lesen will und Kurzgeschichten mag, ist hier bestens bedient. Doch obwohl ich stellenweise gut unterhalten wurde, haben mich Wayward Children dann noch nicht so sehr begeistert, dass ich unbedingt noch die weiteren Bände lesen möchte. Von mir gibt es deshalb 3.5 Sterne.

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4 Kommentare

  1. Liebe Mel

    Das überrascht mich jetzt sehr, da ich bereits sehr viele lobende Rezensionen entdeckt habe, aber das zeigt einfach wieder einmal, dass 1. Geschmäcker verschieden sind und dass man sich 2. halt ganz oft auch einfach selber eine Meinung bildern muss.

    Lieben Dank für die ausführliche Rezension und alles Liebe
    Livia

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    1. Also die Idee und die Repräsentation von Diversity fand ich auf alle Fälle sehr toll! Nur sind die einzelnen Bände dann doch sehr kurz, wodurch sie sich schnell lesen lassen, aber natürlich auch die Tiefe verloren geht. Ich kann aber trotzdem nachvollziehen, dass das Buch viele positive Stimmen erhalten hat und möchte dir von den Geschichten auch keineswegs abraten, wenn dich die Idee reizt. :)

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  2. Hallo liebe Mel,

    diese Reihe hatte ich bislang noch gar nicht im Blick. Das, was du über die Bücher schreibst, hat meine Neugierde geweckt. Gerade der Vergleich mit Märchen wie Alice im Wunderland hat mich angesprochen. Die Insel der besonderen Kinder habe ich damals gelesen. Leider bin ich mit dem Buch nicht so richtig warm geworden. Ich weiß allerdings nicht mehr, woran genau das lag.

    Was den "verflixten" zweiten Band angeht: Leider habe ich das auch oft bei Reihen, dass mir der zweite Teil nicht so gut gefällt. Meist liegt es daran, dass hier die Spannung fehlt. Das scheint hier ähnlich gewesen zu sein.

    Ich danke dir für die interessante Buchvorstellung.

    Liebe Grüße
    Tanja :o)

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    1. Ja im Deutschen ist mir die Reihe bisher auch noch nicht so oft begegnet, dafür wurde sie mir auf Goodreads im englischen Original schon oft unter den Empfehlungen angezeigt.
      Mit "Die Insel der besonderen Kinder" bin ich ehrlich gesagt auch nicht warm geworden, du bist jetzt eine der wenigen, die ich antreffe und nicht total davon schwärmt. :D Bin froh, dass es nicht nur mir so erging. Die Idee fand ich toll, aber der Plot konnte mich irgendwie nicht so richtig fesseln. Ich habe die Fortsetzungen deshalb auch gar nicht mehr gelesen.

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