[Rezension] Pageboy - Meine Geschichte

by - Juli 28, 2023

(© Argon Verlag)

Pageboy - Meine Geschichte*
von Elliot Page
Gelesen von Jonathan Perleth

Bewertung: ★★☆☆☆

Autobiography, Spieldauer: 9 Stunden und 26 Minuten
Erscheinungsdatum: 06. Juni 2023
Verlag: Argon Verlag


*Rezensionsexemplar von Netgalley. Vielen Dank an den Argon Verlag.

Inhaltsangabe:
Elliot Page wurde mit Hauptrollen in Juno oder Inception weltberühmt. Mit 33, im Dezember 2020, outete er sich über Instagram als trans. In seinem ersten Buch erzählt Elliot Page die Geschichte seines einzigartigen Lebens, das ihm seine Transition gerettet hat.

Vom Aufwachsen in der kanadischen Hafenstadt Halifax, vom Erwachsenwerden im von traditionellen Geschlechterrollen besessenen Hollywood. Vom Entdecken der eigenen, tabuisierten Sexualität und der tiefgreifenden Scham vor dem eigenen Körper. Von traumatischen Hassverbrechen, von fantastisch anmutenden Erfolgen. Vom Finden der eigenen Identität und der andauernden Reise zu sich selbst. Ein Buch von aufwühlender Schönheit und politischer Schlagkraft.

Meine Meinung:

Ich war jetzt zwei Wochen ferienbedingt abwesend, darum ist es auf meinem Blog so ruhig geworden. "Pageboy" habe ich allerdings noch zu Beginn meines Urlaubs beendet, sodass inzwischen einige Zeit vergangen ist und der Inhalt nicht mehr so präsent ist, wie ich es mir erhofft hätte.
Vorweg muss ich klar sagen, dass sich meine nachfolgende Kritik nicht auf den Inhalt des Buches bezieht, weil ich selbstverständlich nicht die Lebensgeschichte eines Menschen beurteilen will und kann, sondern eher die Art und Weise, wie diese Geschichte erzählt wurde.

Aber fangen wir ganz am Anfang an: Elliot Page ist ein berühmter Hollywoodschauspieler, der bereits seit jungen Jahren vor der Kamera steht. Ich selbst würde mich nicht als Fan von ihm bezeichnen, ich kannte jedoch seinen Namen, weil ich u.a. Juno und Inception vor vielen Jahren gesehen und beide als gut empfunden habe. Und natürlich ist es mir auch nicht entgangen, dass er sich vor einigen Jahren als trans geoutet hat und seither unter neuem Namen auftritt. Etwas, das ich sehr bewundernswert und stark finde.

Für seine Biografie hat Page einen nicht-linearen Erzählstil gewählt, was grundsätzlich interessant sein könnte, mir hier in der Umsetzung aber gar nicht zugesagt hat, da mir ein roter Faden gefehlt hat, der sich durch die unterschiedlichen Zeitebenen zieht und sie damit zu einem grossen Ganzen verbindet. Stattdessen hat sich die Erzählung eher wie eine wild zusammengewürfelte Sammlung von Essays angefühlt, die eher für sich stehend sind und nicht unbedingt einem übergeordneten Thema folgen, das der Geschichte eine gewisse Kontinuität verliehen hätte.
Viele der einzelnen Kapitel bzw. Erzählungen haben sich für mich alleinstehend oftmals etwas nichtssagend angefühlt und mir war ganz oft nicht klar, warum sich Page gerade diese Erlebnisse ausgesucht hat, um sie uns zu erzählen. Ganz häufig sind dabei etliche Sexszenen enthalten, sei es noch mit Jungen aus Pages Teenagerzeit, aber auch mit einigen Filmpartnerinnen, mit denen Page im Laufe seiner Karriere eine Beziehung geführt hat. Die Sexszenen werden dabei jedes Mal sehr explizit und detailliert geschildert, ohne dass sie dadurch zu mehr Informationsgehalt für mich als Zuhörerin geführt haben, sodass mich diese Szenen irgendwann einfach nur noch genervt haben, weil sie der Erzählung keinerlei Substanz gegeben haben. Mir ist bis jetzt nicht klar, was Page mit der Menge an Sexszenen für eine Botschaft mitteilen durfte.
Und genau das war auch das Problem mit vielen anderen seiner Erzählungen.

Neben diesen Sexszenen nehmen natürlich auch die Herausforderungen einen Schwerpunkt ein, die mit Pages sexueller Orientierung einhergingen. Es war erschütternd zu sehen, wie homophob Hollywood scheinbar ist und welche abscheulichen Beleidigungen der Autor im Laufe seiner Karriere über sich ergehen lassen musste, was sehr verletzend gewesen sein muss.
Man hört immer wieder heraus, wie unglücklich Page mit seinem Beruf als Schauspieler und der Welt in Hollywood war, er liefert jedoch zu wenig Informationen, durch die ich verstanden hätte, warum er den Beruf nicht einfach an den Nagel gehängt hat, statt jahrelang darunter zu leiden, sich so exponieren zu müssen, was eigentlich gar nicht seinem Charakter zu entsprechen schien.

Auch die Auseinandersetzung mit seiner Geschlechterrolle spielt eine Rolle im Buch und es wird deutlich, wie früh Page bereits Mühe hatte, sich als Frau und entsprechend so aufzutreten, wie es sein (vor allem berufliches) Umfeld von ihm erwartet hat. Schade fand ich jedoch, dass Page das Frausein häufig allein auf Äusserlichkeiten und das Tragen von Abendkleidern bezogen hat, das ihm (verständlicherweise) zuwider war. Für mich war dadurch jedoch das Thema Frausein (und all die Struggles, die Page dadurch hatte) sehr auf diesen einen Aspekt reduziert.

Alles in allem hat mir bei der Erzählung die Tiefe gefehlt. Jede:r Hollywoodschauspieler:in hat das Recht auf Privatsphäre, aber wenn man sich freiwillig dazu entscheidet, ein Buch über das eigene Leben zu schreiben, dann erhoffe ich mir doch etwas tiefere Einblicke in einige Erlebnisse. Und das hat mir hier gefehlt. Page bleibt inhaltlich nicht nur erstaunlich oberflächlich bei seinen Erzählungen, sondern erzählt seine Lebensgeschichte auch überraschend nüchtern und emotionslos. Es geht mir gar nicht so sehr darum, dass er mehr Geheimnisse oder Privates hätte preisgeben müssen, aber ich hätte mir doch einen viel tieferen Einblick in seine Gefühlswelt gewünscht, denn darüber weiss ich ehrlich gesagt auch nach Beendigung des Buches nicht mehr, als vor dem Hören des Hörbuchs.

Erschwerend kam hinzu, dass ich den deutschen Sprecher leider überhaupt nicht gut fand. Ich bin durch viele andere Hörbuchsprecher:innen, die dies beruflich machen, natürlich sehr verwöhnt worden und habe schon einige Erzähler:innen erlebt, die mich vom Hocker gehauen haben. Perleth, der Sprecher dieses Buches, hat vermutlich keine Erfahrungen als Hörbuchsprecher und wurde wahrscheinlich ausgewählt, weil er selbst trans ist. Diese Entscheidung kann ich sehr gut nachvollziehen - aber qualitativ fand ich Perleths Erzählweise leider sehr amateurhaft und schlecht und er schafft es nicht, irgendwelche Emotionen beim Vorlesen zu wecken. Egal ob Page über Szenen mit homophoben oder transphoben Kommentaren spricht (die vielleicht Wut auslösen könnten) oder von eher traurigen Erlebnissen: Perleth hat alles in ein und derselben monotonen Erzählstimme wiedergegeben, was ich einfach enttäuschend fand.

Fazit:

Alles in allem konnte mich Elliot Pages Biografie bedauerlicherweise nicht überzeugen. Ich bin mit dem eher nüchternen, emotionalen Schreibstil und der monotonen Erzählweise des Sprechers nicht warmgeworden. Für mich blieb die Erzählung zu oberflächlich und anstelle der vielen Sexszenen, hätte mich viel eher einen Einblick in Pages Emotionen gewünscht.
So bewundernswert ich Page auch finde, über sein Leben und sein trans sein zu sprechen, die Art und Weise wie er seine Geschichte erzählt, konnte mich bedauerlicherweise nicht überzeugen. Da haben mir im Vergleich Jeanettes McCurdys oder Elton Johns Biografien um Längen besser gefallen.

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4 Kommentare

  1. Hallo liebe Mel,

    ich finde es immer sehr schwer Biographien zu rezensieren. Eben weil ich es ähnlich sehe wie du: Man kann und sollte das Leben eines anderen Menschen nicht beurteilen. Ich finde, dass du in dieser Rezension sehr sachlich und nachvollziehbar geschildert hast, was dir Probleme beim Lesen bereitet hat.

    Ich bin mir nicht sicher, wie sehr mich vielleicht die Kapitel mit unzusammenhängenden Ausschnitte aus dem Leben des Erzählenden gestört hätten. Sicherlich fällt es dadurch schwerer Bezug aufzubauen und somit in einen Leseflow zu finden. Das kommt vermutlich darauf an, ob es weitere Kritikpunkte gab und wie stark die Geschichte im Übrigen zu bewegen weiß.

    Nach dem Lesen des Klappentextes wäre ich vermutlich auch mit den Erwartungen an das Buch herangetreten, eine sehr berührende Geschichte zu lesen. Anhand der von dir geschilderten Punkte kann ich gut verstehen, was dir an der Geschichte gefehlt hat und warum sie dich eben nicht so berührt und gefesselt hat, wie nach dem Lesen des Klappentextes vielleicht vermutet.

    Ich muss hier nochmal ein Lob für deine analytischen und hilfreichen Rezensionen aussprechen.

    Vielen Dank für diesen Einblick ins Buch.

    Liebe Grüße
    Tanja

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  2. Hallo Mel,

    ich lese eigentlich selten Biografien und Elliot Page sagt mir absolut nichts (ich habe auch keinen der angesprochenen Filme geschaut), aber trotzdem habe ich deine Rezension mit großem Interesse gelesen.
    Schade, dass dich die Biografie nicht so ansprechen konnte, es ist aber verständlich, so wie du es schilderst. Ich glaube, mich hätten so viele Sexszenen irgendwann auch gestört (das tun sie selbst in Romanen, wenn sie nichts zur Geschichte beitragen und einfach nur...da sind). Auch die Auswahl an erzählten Ereignissen fühlt sich für den Autor sicher logisch an, aber das kann für Lesende auch ganz nach hinten losgehen. Ich habe es ein paar Mal so erlebt, dass zu Beginn vieler Kapitel kurz in den folgenden Text eingeführt wird und da auch eine kleine Begründung steht, warum genau diese Szene geschildert wird etc. Das verleiht dem Geschriebenen manchmal wirklich mehr Sinn.

    Naja, und zum Thema Hörbuchsprecher... ich glaube, das ist (neben fehlender Konzentration auf Gehörtes) einer der Hauptpunkte, wieso ich keine Hörbücher höre. Man kann mit dem Hörbuchsprecher so oft nicht auf einer Wellenlänge liegen und dann wird die schönste Geschichte zerschossen, wenn es einfach vom Lesestil nicht passt...Schade!

    Ich wünsche dir noch eine angenehme Restwoche!
    Liebe Grüße,
    Isa

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    1. Ja, übermässig viele Sexszenen stören mich tatsächlich auch in fiktionalen Romanen. Ich habe es bislang selten erlebt, dass eine Sexszene wirklich substanziell etwas zur eigentlichen Geschichte beigetragen hätte.

      Normalerweise habe ich bei Hörbüchern mehr Glück, es kommt eigentlich selten vor, dass ich eine:n Sprecher:in so gar nicht mag, ich habe inzwischen sogar einige Lieblinge. Aber meistens sind das halt auch professionell ausgebildete Synchronsprecher:innen oder Hörbuchsprecher:innen. Hier hat man einfach gemerkt, dass das nicht der Fall ist, was sich dann leider auch sehr stark in der Qualität des Vorlesens abgezeichnet hat.

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