[Rezension] Unorthodox
(© Audiobuch) |
Unorthodox*
von Deborah Feldman
Gelesen von Anita Hopt
Bewertung: ★★★★☆
Spieldauer: 11 Stunden und 52 Minuten
Erscheinungsdatum: 01. Januar 2016
Erscheinungsdatum: 01. Januar 2016
Verlag: Audiobuch
Inhaltsangabe:
Selten hat eine Autorin ihre Befreiung aus den Fesseln religiöser Extremisten so lebensnah, so ehrlich, so analytisch klug erzählt wie Deborah Feldman. Feldman wuchs in der ultra-orthodoxen, chassidischen Satmar-Gemeinde in Williamsburg, einem Stadtteil von New York, auf. Schon als Kind störte sie die strikte Unterwerfung unter die strengen Lebensgesetze der Sekte, die Ausgrenzung, die ärmliche Lebensweise und die Unterordnung der Frau. Ihr Gerechtigkeitsempfinden und ihr Wissenshunger haben sie angetrieben, ihren Alltag zu hinterfragen. In "Unorthodox" schildert Feldman das harte Leben in der Gemeinde, angefangen von den Kindertagen bis hin zu ihrer Zwangsehe. Und sie erzählt, wie sie den Mut fand, zusammen mit ihrem Sohn aus dieser Enge auszubrechen - hinein in eine ihr völlig unbekannte Welt.
Meine Meinung:
Dieses Buch ist erstmalig 2012 in den USA erschienen und hat damals einen riesigen Hype ausgelöst. Auch wenn dies über zehn Jahre her ist, war ich sehr gespannt auf Feldmans Geschichte, da ich seit einiger Zeit einer jüdisch-orthodoxen Tiktokerin folge, die die Regeln ihres Glaubens mit viel Begeisterung erläutert. Und ich war nun sehr neugierig darauf, dieselben Regeln aus einer ganz anderen Perspektive zu erleben.Obwohl mich die Thematik im Buch sehr interessiert hat, hat es rund ein Drittel des Hörbuches gedauert, bis ich wirklich in der Erzählung angekommen bin. Ich hatte anfangs Mühe damit, dass man quasi in das Leben der Autorin hineingeworfen wird und ohne langes Vorgeplänkel erzählt wird, wie Feldman aufgewachsen ist. Hier hätte ich vermutlich eine Einleitung hilfreich gefunden, die ein paar Hintergrundinformationen zum Zweck des Buches geliefert hätte, was mir bei der Orientierung und Einordnung sehr geholfen hätte.
Ein weiterer Grund für meine anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Hörbuch lag aber vermutlich auch darin, dass mir durch oben erwähnte Tiktokerin bereits viele der Regeln und Gepflogenheiten des jüdisch-orthodoxen Glaubens bekannt waren und Feldmans Erläuterungen bei mir nicht mehr den schockierenden Effekt hatten, wie für jemanden, der:die zum ersten Mal davon hört. (Wobei Feldman in einer ultra-orthodoxen Gemeinde aufgewachsen ist und dort noch einmal strengere Regeln gelten als bei orthodoxen Juden)
Für mich war es anfänglich befremdlich zu hören, wie reglementiert das Leben im jüdisch-orthodoxen Glauben ist. Das reicht hin von strikten Regeln, zum Beispiel zum koscheren Essen, das besagt, dass Fleisch und Milchprodukte nie zusammen gegessen werden müssen und zwischen den jeweiligen Mahlzeiten mindestens 6 Stunden liegen müssen. Dann gibt es auch viele Regeln am Sabbat, an dem keine Arbeit verrichtet werden darf. Grundsätzlich klingt das eigentlich nachvollziehbar, aber die Regeln, die an diesem Tag gelten, sind teilweise wirklich bis ins Detail festgelegt und reichen so weit, dass man nicht einmal Klopapier abreissen darf oder einen Schlüssel tragen darf. Etwas, das mein hohes Autonomiebedürfnis definitiv zu sehr im Wege stehen würde.
Doch das sind natürlich noch die harmloseren Regeln, natürlich gibt es in der ultra-orthodoxen Gemeinschaft auch viele Vorschriften, die das Frausein bestimmen. So durfte Feldman zum Beispiel keine weltliche Literatur lesen oder sich mit Jungen im selben Raum aufhalten und sich ganz grundsätzlich bescheidend und anständig verhalten und kleiden. Auch die Menstruation der Frau wird in diesem Glauben als etwas Unreines angesehen, und jüdisch-orthodoxe Frauen müssen sich nach dem Ende ihrer Periode jedes Mal wieder rein waschen. Etwas, das bei mir sehr sauer aufgestossen ist, denn es vermittelt einem als Frau permanent das Gefühl, dass man sich dafür schämen müsste, wenn man menstruiert.
Gepackt hat mich Feldmans Erzählung schliesslich, als sie mit gerade mal 17 Jahren geheiratet hat. Ab diesem Zeitpunkt wurde für mich ihr Leidensdruck besonders deutlich, und die darauffolgenden Jahre, die sie in ihrer jungen Ehe erlebt hat, haben mich sehr mitgenommen. Ich hatte zudem den Eindruck, dass die Regeln für jüdisch-orthodoxe Frauen nach der Hochzeit noch einmal verschärft werden, denn bei all dem, was sie ohnehin schon befolgen mussten, müssen sie nach der Hochzeit auch noch ihre Haare abrasieren und eine Perücke tragen.
Feldman hatte nach ihrer Hochzeit mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen, denn von ihr wurde erwartet, dass sie gemäss ihrem Glauben regelmässig den Geschlechtsakt vollzieht und Kinder gebärt. Nur war ihr dies nicht möglich und die vielen Versuche waren für sie nicht nur körperlich, sondern auch emotional sehr belastend.
Nachdem sie schliesslich herausgefunden hatte, dass sie unter Vaginismus leidet, gelingt es ihr, den Geschlechtsakt mit ihrem Ehemann zu vollziehen und sie wird sehr rasch schwanger und gebärt einen Sohn. Dieser Sohn ist es auch, der sie das Leben in der jüdisch-orthodoxen Gemeinde kritisch hinterfragen lässt und ihren jahrelangen Leidensdruck noch spürbarer macht. Ihr Sohn ist es auch, der sie dazu motiviert, ihre Glaubensgemeinschaft zu verlassen und ein neues Leben zu beginnen – etwas, das nach der langen, bedrückenden Erzählung auch bei mir als Leserin ein Gefühl der Hoffnung und Zuversicht geweckt hat und Feldmans Geschichte einen runden Abschluss gibt.
Die Hörbuchsprecherin macht ihre Sache gut und sie hat eine angenehme Erzählstimme. Ich hätte mir allerdings hin und wieder gewünscht, dass sie etwas mehr Gefühle vermitteln könnte, denn die Erzählung hat sich teilweise etwas monoton angefühlt.
Ein Kritikpunkt, der abschliessend aber noch erwähnt werden muss, ist der Umstand, dass viele andere Rezensionen darauf hinweisen, dass Feldman bei der Erzählung ihrer Lebensgeschichte nicht immer ganz bei der Wahrheit geblieben ist und sie scheinbar einige Dinge dazugedichtet oder weggelassen hat – so etwa die Tatsache, dass sie eigentlich eine jüngere Schwester hätte, die bei ihrer Mutter aufgewachsen ist. Etwas, das Feldman mit keiner Silbe erwähnt und rückblickend natürlich einen etwas bitteren Nachgeschmack hinterlässt.
4 Kommentare
Hallo liebe Mel,
AntwortenLöschenich habe mich mit dem orthodoxen Judentum bislang noch nicht so sehr auseinandergesetzt. Daher empfand ich deinen Beitrag auch teilweise als bewegend und auch stellenweise schockierend. Ich verstehe, dass dir einige Stellen übel aufgestoßen sind. Das würde mir nicht anders ergehen.
Ich habe mich sehr gefreut zu lesen, dass es der Erzählerin gelingt, mit Hilfe ihres Sohnes ein Umdenken herbeizuführen bzw. in eine neue - hoffentlich bessere - Lebenssituation hineinzufinden.
Ich danke dir für diese sehr interessante Buchvorstellung.
Liebe Grüße
Tanja
Danke dir für den Kommentar :)
LöschenLiebe Mel
AntwortenLöschenMir erging es ähnlich wie dir: die meisten Regeln von orthodoxen/ultra-orthodoxen jüdischen Glaubensgemeinschaften, waren mir zwar bekannt, aber die Beklemmung der Protagonistin war dann noch einmal eine andere Hausnummer und hat mich wirklich mitgenommen.
Leider hat mich das Buch vor allem anfänglich gelangweilt und ich kann gut nachvollziehen, dass du dir gewünscht hättest, nicht sofort im Leben der Protagonistin angekommen zu sein.
Hast du die Miniserie zum Buch gesehen? Ich möchte das unbedingt mal noch machen.
Alles Liebe an dich
Livia
Von der Serie habe ich erst vor kurzem erfahren, aber die will ich auch unbedingt schauen, wenn ich wieder Netflix abonniert habe. Im Moment bin ich noch bei einem anderen Streaminganbieter. :)
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