[Rezension] Demon Copperhead

by - Mai 04, 2024

(© Argon Verlag)

Demon Copperhead*
von Barbara Kingsolver
Gelesen von Fabian Busch

Bewertung: ★★★★☆

Fiction, Audiobook
Spieldauer: 18 Stunden und 33 Minuten
Erscheinungsdatum: 28. Februar 2024
Verlag: Argon


*Rezensionsexemplar von Netgalley. Vielen Dank an den Argon Verlag.

Inhaltsangabe:
Ein Trailer in den Wäldern Virginias. Das Land der Tabakfarmer und Schwarzbrenner, der »Hillbilly-Cadillac«-Stoßstangenaufkleber an rostigen Pickups, aufgegeben von sämtlichen Superhelden und dem Rest der Nation. Hier kommt Demon Copperhead zur Welt – die Mutter ist noch ein Teenie und frisch auf Entzug, der Vater tot. Ein Junge mit kupferroten Haaren, großer Klappe und einem zähen Überlebenswillen, trotz allem, was das Leben für ihn bereithält: Armut, Pflegefamilien, Drogensucht, erste Liebe und unermesslicher Verlust. Es ist seine Geschichte, erzählt in seinen Worten, unbekümmert, vorwitzig, von übersprudelnder Lebenskraft.

Meine Meinung:

Auf die Gefahr hin, mich fast jedes Mal zu wiederholen: Aber auf dieses Buch hier habe ich mich völlig unvoreingenommen und ohne jegliche Vorinformationen eingelassen. Der Titel wurde mir in meinen Buchempfehlungen auf Goodreads angezeigt und deshalb habe ich mich spontan für ein Hör-Exemplar beworben. Ich habe erst jetzt im Nachhinein gesehen, dass das Buch etliche Preise (darunter auch den Pulitzer-Preis) erhalten hat und dass es sich um eine moderne Nacherzählung von "David Copperfield" von Charles Dickens handelt. Vermutlich war es gut, dass mir beide Informationen unbekannt waren. Einerseits neige ich dazu, skeptisch an preisgekrönte Bücher heranzugehen, und andererseits habe ich Dickens Werk nie gelesen, sodass ich mich völlig frei von jeglichen Erwartungen an dieses Buch heranwagen konnte.

Im (Hör-)Buch wird eine Coming-of-Age Geschichte des titelgebenden Protagonisten, Demon Copperhead erzählt.
Demon wächst unter schwierigen Bedingungen auf: Seine Mutter ist nach dem Tod eines Vaters alleinerziehend und drogenabhängig. Und als wäre das nicht schon herausfordernd genug, gerät sie schliesslich an einen neuen Lebenspartner, der gewalttätig ist und für noch mehr Probleme im Familienalltag führt.
Eines Tages holt die Familie dann einen weiteren Schicksalsschlag ein, der dazu führt, dass Demon bei Pflegefamilien unterkommt und dabei eine richtige Odysee beginnt. Demon kämpft sich von Familie zu Familie durch und muss sich auf dem Weg zum Erwachsenwerden immer wieder durchkämpfen und schwierige Erlebnisse bewältigen, um nicht selbst so zu enden, wie seine Mutter...

Demons Geschichte ist sehr lang, das Hörbuch umfasst mehr als 18 Hörstunden und die Buchvorlage hat mehr als 800 Seiten und dennoch hat mich die Erzählung relativ schnell in einen Sog gezogen, der mich nicht wieder losgelassen hat. Gerade zu Beginn des Buches passieren so viele Schicksalsschläge, die mich emotional mitgenommen haben und früh mein Mitgefühl für den damals so jungen Demon geweckt haben.
Immer wieder habe ich gehofft, dass der Junge doch endlich mal ein bisschen Glück in seinem Leben verdient hat, und immer wieder wird er von der Realität eingeholt. Gewalt und Drogensucht sind dabei nur zwei Themen, die sich wie einen roten Faden durch Demons Leben und vor allem sein Umfeld zieht, mit dem er aufwächst.
Doch Demon bleibt in all den schrecklichen Erlebnissen überraschend stark, manchmal hatte ich sogar das Gefühl ein wenig naiv. Aber vielleicht hat ihm genau diese Naivität stark gemacht, nicht aufzugeben und auf ein besseres Leben zu hoffen.
Immer wieder rappelt er sich auf, obwohl ihm das Leben Steine in den Weg legt. Und das hat mich wirklich beeindruckt.

Das Buch enthält neben Demon als Protagonisten zahlreiche Nebencharaktere, die wiederkehrende Rollen übernehmen. Dabei sind zum Glück nicht alle böse gesinnt, es gibt darunter auch durchaus Leute, die Demon Gutes wollen und ihn unterstützen wollen und mir ans Herz gewachsen sind. Es würde jedoch den Rahmen sprengen, auf die einzelnen Nebencharaktere auch noch einzugehen.

Im Mittelteil gab es ein paar Stellen, die mir etwas langgezogen vorkamen, aber insgesamt ist mir das Zuhören trotzdem sehr kurzweilig vorgekommen, denn ich konnte gar nicht anders, als mit Demon mitzufiebern. Manchmal war es auch fast so wie bei einem Unfall: Man will gar nicht hinsehen, weil es so schrecklich ist, aber kann nicht anders. Und so hat sich Demons Geschichte zum Erwachsenwerden manchmal angefühlt. Freude herrsche jeweils nur kurz, und nach einiger Zeit wusste man, dass nach jedem positiven Erlebnis, mindestens eine schreckliche Erfahrung folgen würde. Doch die Ausmasse halten sich immer in einem gewissen Rahmen. Es ist nicht so, dass es Szene expliziter Gewalt oder sexuellen Übergriffen o.ä. gibt.

Der Sprecher macht seine Sache gut und hat das Zuhören sehr angenehm gemacht, und das, obwohl ich normalerweise eigentlich weibliche Sprecherinnen bevorzuge.

Für die vollen fünf Sterne hat es letztendlich aber nicht gereicht. Der Grund war, dass mir am Ende dann doch noch das gewisse "Etwas" gefehlt hat. Der Schlussteil des Buches war mir viel zu weichgespült und auf "Happy End" getrimmt, was man sich zwar insgeheim für Demon wünscht, aber sich einfach nicht so richtig glaubhaft angefühlt hat, dass sich plötzlich so vieles zum Guten wendet. Hier hätte ich mir irgendwie ein mutigeres und ehrlich gesagt weniger kitschigeres Ende gewünscht.

Zum Vergleich zu Dickens Originalwerk kann ich leider nichts sagen, aber hier fände ich sehr spannend, zu erfahren, wie andere Leser:innen die Adaption erlebt haben, die den Klassiker zuvor gekannt haben.

Fazit:

Demons Copperheads Coming-of-Age Geschichte ist eine, die unter die Haut geht. Der Junge wächst unter schwersten Bedingungen auf und bekommt immer wieder Steine in den Weg gelegt, die ihn aber nicht davon abhalten weiterzumachen. Es gibt viele Erlebnisse im Buch, die mir emotional nahe gegangen sind und mit dem Protagonisten haben mitfühlen lassen. Trotz der Länge des Buches, hat die Autorin eine unglaublich fesselnde und kurzweilige Erzählung geschaffen, die ich definitiv weiterempfehlen kann. Wäre das typisch amerikanische weichgespülte Ende nicht gewesen, hätte es vielleicht sogar für 5 Sterne gereicht. So kann ich aber immerhin 4 Sterne und eine Leseempfehlung aussprechen.

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2 Kommentare

  1. Huhu,

    WOW! Da hast du dich ja an einen richtigen Backstein gewagt. Aber mit Erfolg, trotz des Endes, das ja nicht so ganz deines war. Ich selbst habe das Buch bisher eher ignoriert, was vermutlich am Cover lag XD - schrecklicher Cover-Mensch -. Wobei ich selbst nicht weiß, ob ich mit dem Thema Spaß hätte. Vielleicht spicke ich mal in die Leseprobe :D

    Tintengrüße von der Ruby
    https://rubystintengewisper.de/

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  2. Hallo liebe Mel,
    mit deiner Rezension hast du mich ja gerade voll gekriegt. Das könnte durchaus auch ein Buch für mich sein.
    Ich recherchiere oft auch nicht viel und schaue in Rezensionen bewusst nur dann rein, wenn ich mir noch nicht ganz sicher bin, ob ich das Buch lesen möchte. Ich glaube, das ist auch eine gute Idee, um sich ganz unvoreingenommen auf eine Geschichte einlassen zu können.

    Ich fand schon den Klappentext sehr ansprechend. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, dass es sich um eine Nacherzählung von "David Copperfield" von Charles Dickens handeln könnte. (Wobei ich dieses Buch auch noch nicht gelesen habe). Das fand ich allerdings spannend zu lesen.

    Was das Thema Naivität betrifft: Das Wort naiv ist so negativ geprägt und ich finde, du hast es in deiner Rezension mit deiner Überlegung sehr schön auf den Punkt gebracht. Vielleicht ist Naivität ja gar nicht so schlecht. Vielleicht ist es das, was in schwierigen Momenten sogar helfen kann.

    Dieses Buch wäre mir ohne deinen Beitrag gewiss nicht aufgefallen. Vielen Dank dafür!

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

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