[Rezension] Love Letters to the Dead

by - September 24, 2020

(© Audio Media Verlag)

Love Letters to the Dead*
von Ava Dellaira
Gelesen von Annina Braunmiller

Bewertung: ★☆☆☆☆

YA Contemporary Fiction, Audiobook 
Spieldauer: 6 Stunden 10 Minuten
Erscheinungsdatum: 23. Februar 2015

Verlag: Audio Media Verlag

* Gehört auf audioteka.com/de [Werbung]. Das erste Hörbuch ist gratis.

Inhaltsangabe:
Es beginnt mit einem Brief. Laurel soll für ihren Englischunterricht an eine verstorbene Persönlichkeit schreiben. Sie wählt Kurt Cobain, den Lieblingssänger ihrer Schwester May, die ebenfalls viel zu früh starb. Aus dem ersten Brief wird eine lange Unterhaltung mit toten Berühmtheiten. Doch erst, als Laurel die Wahrheit über sich und ihre Schwester May offenbart, findet sie den Weg zurück ins Leben und kann einen letzten Brief an May schreiben …

Meine Meinung:

"Love Letters to the Dead" habe ich schon einmal 2015 begonnen, also im selben Jahr als es ursprünglich erschienen war. Damals habe ich das Buch nach 15% abgebrochen und es mit den harten, aber ehrlichen Worten "Das liest sich wie eine total langweilige Beschreibung des Alltags einer 12-Jährigen (die eigentlich 16 Jahre alt wäre)! Abgebrochen!" begründet. Manchmal habe ich aber Lust solchen Büchern eine zweite Chance zu geben, wenn es davon eine Hörbuchversion gibt - was in diesem Fall so war.

Natürlich war ich durch meine damalige Kurzmeinung zum Buch schon etwas voreingenommen, aber trotzdem hatte ich auch bei diesem zweiten Versuch anfänglich grosse Mühe mit der Protagonistin Laurel. Und der Grund dafür war wieder derselbe Kritikpunkt, den ich damals hatte: Laurel wäre eigentlich als Highschool Schülerin eine Teenagerin, wirkt aber stellenweise wie ein naives Kind - teilweise sogar noch jünger als eine 12-jährige. Und leider wird dieser Eindruck noch zusätzlich durch die Sprecherin unterstützt, die zwar angenehm vorliest, aber doch eine Stimme hat, die diese kindlichen Anteile von Laurel ungünstig verstärkt und sie dadurch manchmal noch naiver und kindischer wirken lässt, als es von der Autorin vermutlich beabsichtigt war.
 
In der ersten Hälfte des Buches passiert nicht wirklich viel. Man begleitet Laurel in ihrem normalen Schulalltag und erfährt zwar am Rande, dass ihre Schwester verstorben wird, es wird jedoch nicht weiter darauf eingegangen. Stattdessen wird über mehrere Kapitel hinweg geschildert, wie sich Laurel in einen Jungen namens Sky verliebt und sich ihre Gedanken fast ausschliesslich um ihn drehen.
Als Besonderheit dieses Romans hat sich die Autorin entschieden, die Erzählung als Briefe an verstorbene Berühmtheiten zu schildern. Was wie eine tolle Idee klingt, war in der Umsetzung aber eine Katastrophe, denn die Briefe beginnen zwar mit „Liebe:r Kurt Cobain, River Phoenix, Amy Winehouse oder Amelia Earhart...“, aber was dann folgt, sind eine Art Tagebucheinträge, die keinerlei Substanz haben und teilweise Fremdschampotenzial für mich hatten, weil sie in etwa das Niveau haben, wie meine eigenen Tagebucheinträge als 10-jährige. Die verstorbenen Berühmtheiten würden sich wohl im Grab umdrehen, wenn sie wüssten, dass ihre Namen für eine so nichtssagende Geschichte missbraucht worden sind. Ergänzt werden die Einträge manchmal dadurch, dass die Lebensgeschichten der Verstorbenen kurz umrissen werden, was sich so gelesen hat, als hätte die Autorin einfach Auszüge aus den jeweiligen Wikipediaseiten kopiert.

Ihr könnt euch also vorstellen, welche Tortur dieses Buch vor allem am Anfang für mich war. Ich musste mich wirklich beherrschen, es nicht ein zweites Mal abzubrechen, weil so gar nichts passiert ist, das irgendwelche Relevanz hatte und dem Buch eine Daseinsberechtigung gegeben hätte.

Irgendwann, ungefähr im letzten Drittel, hat mich die Autorin dann doch noch überrascht, indem sie plötzlich ein sehr ernstes und schwerwiegendes Thema raushaut, das die Protagonistin Laurel in ihrer Vergangenheit erlebt hatte und aus meiner Sicht unbedingt eine Triggerwarnung benötigt hätte. Erst durch diese Enthüllung, konnte ich Laurels kindische Verhaltensweisen etwas besser nachvollziehen, obwohl ich gerade ihre kindlichen Anteile eher als pathologische Folge ihrer traumatischen Erfahrungen eingeordnet hätte, was ihr Verhalten umso besorgniserregender gemacht hätte.
Diese überraschende Wendung hat Laurel zwar für mich zum Lesen nicht unbedingt erträglicher gemacht, aber wenigstens hatte sie neu mein Mitgefühl für das gewonnen, was sie erleben musste. Diese Enthüllung dient auch als Puzzleteilchen dafür, was mit Laurels Schwester geschehen ist, wobei ich bis zuletzt immer noch nicht ganz verstanden habe, was letztendlich zu Mias Tod geführt hat.

Obwohl die Autorin es durch diesen Schluss schafft, der Story ein bisschen Tiefgang zu verpassen, ist es ihr in meinen Augen aber nicht gelungen, dieses ernste Thema am Ende des Buches realistisch und sensibel genug umzusetzen. Kurz nachdem man erfährt, was Laurel zugestossen ist, macht diese nämlich eine 180-Wendung im Eiltempo durch, schafft es, sich ihrem Umfeld gegenüber zu öffnen und alles wie durch ein Wunder hinter sich zu lassen. Diese Entwicklung war total unglaubwürdig und in meinen Augen auch eine Faust ins Gesicht für Betroffene, die tatsächlich mit solchen traumatischen Erfahrungen zurechtkommen müssen. Es gibt zwar durchaus Personen, die so etwas leichter wegstecken können, aber da wir Laurel in den ersten zwei Dritteln des Buches so kennengelernt haben, dass sie das eben nicht geschafft hat, war es einfach nur lächerlich, dass sie ihre Vergangenheit innerhalb weniger Seiten einfach so verarbeiten konnte.

Das alles hinterlässt bei mir den Eindruck, dass die Autorin zwar gute Ideen gehabt hätte, sie aber mit der Thematik ihres eigenen Buches heillos überfordert gewesen war. Hier hätte es vielleicht geholfen, sich mit Betroffenen mit ähnlich traumatischen Erfahrungen auszutauschen, um ihre Erlebnisse nicht nur authentischer, sondern auch mit der nötigen Sensibilität beschreiben zu können. Das ist hier der Autorin leider nicht gelungen.

Fazit:

„Love Letters to the Dead“ ist ein Buch, das in Form von Briefen an verstorbene Berühmtheiten erzählt wird. Was interessant klingt, war in der Umsetzung aber leider eine Katastrophe, denn die Briefe sind auf dem Niveau von Tagebucheinträgen einer Grundschülerin, die bloss ihren öden Schulalltag und ihre Schwärmereien für einen Jungen beinhalten. Im letzten Drittel haut die Autorin schliesslich doch noch ein ernstes Thema raus, mit dem sie allerdings überfordert zu sein schien, da die Umsetzung nicht nur unglaubhaft, sondern auch unsensibel für Betroffene mit ähnlich traumatischen Erfahrungen wirkt. Das Buch hätte gute Ansätze gehabt, die aber leider alle schlecht umgesetzt wurden. Ich kann deshalb nur 1,5 Sterne vergeben und von diesem Buch nur abraten.

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4 Kommentare

  1. Hi Mel,

    das Buch habe ich inzwischen seit Jahren auf der WuLi und irgendwie spricht es mich nie genug an, um es tatsächlich zu kaufen. Nach deiner Rezension glaube ich auch nicht, dass es mir wirklich gefallen würde. Du spricht Punkte an, die mich auch stören würden...

    Liebe Grüße
    Alica

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    1. Hallo Alica

      Nein, ich würde dir wirklich nur abraten, dieses Buch zu kaufen. Es hat mich auf ganzer Linie enttäuscht.

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  2. Liebe Mel,

    uff.

    Ich gestehe, dass mich dieses Buch nie wirklich so ganz angesprochen habe, ich durch die vielen begeisterten Meinungen aber doch irgendwie neugierig geworden bin und immer mal wieder mit dem Gedanken gespielt habe, es doch zu lesen. Deine Rezension vernichtet den jetzt allerdings. Mit naiven, kindlichen Protagonist*innen tue ich mich sowieso schwer, wenn es nicht zu ihrem Alter passt, und unsensibler Umgang mit sensiblen Themen ... nope. Von daher danke für die Warnung. ^^

    Liebe Grüße ♥

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    1. Ich habe mich von den vielen damaligen positiven Stimmen wohl auch ein bisschen blenden lassen. Und von der Idee mit den Briefen. Aber die Umsetzung war dann sehr enttäuschend. Hier kann ich wirklich mit gutem Gewissen behaupten, dass du dir das Buch sparen kannst! :D

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