[Rezension] I'm Glad My Mom Died

by - Juni 19, 2023

(© Argon Verlag)

I'm Glad My Mom Died*
von Jennette McCurdy
Gelesen von Dagmar Bittner

Bewertung: ★★★★★

Autobiography, Spieldauer: 10 Stunden und 11 Minuten
Erscheinungsdatum: 24. Mai 2023
Verlag: Argon Verlag


*Rezensionsexemplar von Netgalley. Vielen Dank an den Argon Verlag.

Inhaltsangabe:
Seit sie denken kann, wird Jennette von ihrer Mutter beherrscht, emotional erpresst und psychisch wie körperlich missbraucht. Das einzige, was Debra sich für ihre Tochter – aber vor allem für sich selbst – wünscht, ist Jennettes Erfolg als Fernseh-Star. Für Jennette beginnt ein Kreislauf aus Castings, Angstattacken und Selbsthass.

Dann bekommt sie die Rolle als Sam Puckett in der Nickelodeon-Serie iCarly – eine Rolle, in der sie sich gedemütigt fühlt und Produzenten ausgesetzt ist, die ihre Macht missbrauchen.
Als Debra an Krebs stirbt ist Jennette 21 Jahre alt und hat das Zentrum ihres Lebens verloren. Das einzige, worüber sie noch Kontrolle hat, ist ihr Essverhalten und die junge Frau stürzt ab in Essstörungen, Alkoholsucht und toxische Beziehungen.

Einzig eine wegen ihrer Bulimie angefangene Therapie erweist sich als Jennettes Weg in die Freiheit. Es kostet sie Jahre um zu erkennen, was ihre Mutter ihr ein Leben lang angetan hat. Doch jetzt kann sie zum ersten Mal entscheiden, was sie selbst möchte, und es ist an der Zeit, die Kontrolle über ihre eigene Zukunft zu übernehmen.

Meine Meinung:

Dieses Buch ist im letzten Jahr auf Englisch erschienen und hat einen regelrechten Hype auf allen gängigen Leseplattformen ausgelöst. Und obwohl ich vor dieser Autobiografie noch nie etwas von der Serie iCarly gehört habe, geschweige denn von Jennette McCurdy selbst, haben mich die vielen begeisterten Stimmen so neugierig auf das Buch gemacht, dass ich bei der Erscheinung der deutschen Übersetzung nicht mehr widerstehen konnte und einfach wissen musste, was an diesem Hype dran ist. Und so viel kann ich schon mal vorab verraten: In diesem Fall sind die vielen positiven Bewertungen und die Popularität des Buches absolut gerechtfertigt.

McCurdy fängt mit der Erzählung ihrer Lebensgeschichte früh in ihrer Kindheit an, denn genauso früh hat auch ihr Leidensweg begonnen: Sie wurde von ihrer Mutter bereits im Kindesalter dazu gedrängt, Schauspielerin zu werden und von Casting zu Casting geschleppt. Und bei der Erzählung wird sehr schnell deutlich, dass es sich dabei nicht etwa um McCurdys eigenen Wunsch, reich und berühmt zu werden, gehandelt hat, sondern vielmehr um den Wunsch der Mutter, den sie stellvertretend durch ihre Tochter auszuleben versuchte. Das Wohl ihrer Tochter schien ihr dabei völlig egal zu sein. Das oberste Ziel der Mutter war es scheinbar, dass ihre Tochter eine erfolgreiche Kinderdarstellerin wird und dabei war ihr jedes Mittel - auf Kosten der psychischen Gesundheit ihrer Tochter.
Mehr als einmal war ich fassungslos, welche Szenen McCurdy schildert, die sie gemeinsam mit ihrer Mutter erlebt hat, die nichts anderes als psychischer und physischen Missbrauch waren. Doch McCurdys Mutter war sich zu keinem Zeitpunkt irgendeiner Schuld bewusst. Ihre narzisstische Persönlichkeitsstörung liess sie glauben, dass das, was sie ihrer Tochter antut, vermutlich richtig ist.
Das Ganze ging so weit, dass McCurdy bereits kurz vor der Pubertät gezwungen wurde, Kalorien zu zählen, um Gewicht zu verlieren und ihren kindlichen Körper zu behalten. Ein Verhalten, das später noch folgenschwere Konsequenzen mit sich bringt, denn als die Autorin älter wird, hat sie wenig überraschend eine Essstörung entwickelt, die sie noch viele Jahre nach dem Tod ihrer Mutter weiterbegleitet hat.

Im Buch war jedoch nicht nur die Beziehung zu McCurdys Mutter erschütternd, sondern leider auch viele weitere Begegnungen, die sie innerhalb der Filmbranche gemacht hat - sei es beruflich, oder aber auch mit Männern, mit denen sie zusammen war. Dabei fand ich es erstaunlich und bewundernswert, dass die Autorin trotz all dieser schrecklichen Erlebnisse ihren Humor nicht verloren hat, den sie auch in ihre Erzählung miteinfliessen lässt - gerade so, dass es passt, ohne die schlimmen Erlebnisse ins Lächerliche zu ziehen. In Interviews hat die Autorin gesagt, dass der Humor nicht nur ein Copingmechanismus sei, sondern auch notwendig war, damit ihre Lebensgeschichte im (Hör-)Buch einen nicht bloss mit einem tieftraurigen Gefühl zurücklässt.

Nach dem Tod ihrer Mutter ist es McCurdy schliesslich gelungen, mit Unterstützung von mehreren Psychotherapien und der Erkenntnis, wie krank und schädlich das Verhalten ihrer Mutter eigentlich war, den Fängen ihrer Vergangenheit und ihrer Essstörung zu entfliehen - jedoch nicht ohne einige Rückschläge, die die Autorin jedoch offen und ungeschönt zugibt und für mich ein absolut realistisches und authentisches Bild einer Therapie wiedergeben.
Das Ende stimmt einen dann trotz der vielen erschütternden Erlebnisse positiv und insgesamt hat mich die Erzählung tief beeindruckt zurückgelassen, denn ich bewundere McCurdy für ihre Stärke und ihren Mut, so offen und ehrlich über ihre Erlebnisse zu erzählen. Dieses Buch wird mir wahrscheinlich noch lange in Erinnerung bleiben.

Zur Sprecherin kann ich nur sagen, dass ich aufgrund einer kürzlichen negativen Hörerfahrung eigentlich kein Fan von Bittner bin, denn in diesem anderen Buch war ihre Erzählweise total übertrieben und affektiert und hat mich stellenweise ziemlich genervt. Hier hat sie Wiedergutmachung geleistet, denn durch den ernsthaften Ton des Buches, war ihre Erzählweise auch viel ernsthafter, was der Sprecherin definitiv mehr liegt, als das Vorlesen übertrieben klischeehafter Chick-Lit.

Fazit:

In diesem (Hör-)Buch erzählt Jennette McCurdy, eine Schauspielerin aus Hollywood, ihre tragische, emotionale, bedrückende und doch beeindruckte Lebensgeschichte und schildert offen und ehrlich, wie es war, mit einer narzisstischen Mutter aufzuwachsen, die psychischen und physischen Missbrauch auf sie ausgeübt hat. Trotz der bedrückenden Themen, sticht McCurdy aber durch eine bewundernswerte Stärke und ihren Mut heraus, offen über ihre schwierige Vergangenheit zu sprechen und wirkt durch ihren Humor - den sie trotz all der schrecklichen Erlebnisse nicht verloren hat - sehr sympathisch und liebenswert. Das war eines der besten Autobiografien, die ich je gehört habe und ich kann sie nur jedem wärmstens weiterempfehlen. McCurdys Erzählung geht unter die Haut und ich werde ihre Lebensgeschichte vermutlich noch lange in Erinnerung behalten. Hut ab!

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6 Kommentare

  1. Hallo liebe Mel,
    ich finde, man merkt deiner Rezension richtig an, wie sehr dich dieses Buch begeistert hat, bzw. wie stark dich die Geschichte zu bewegen wusste. Mit Recht, wenn ich so deine Worte lese. Ich kann anhand deiner Rezension sehr gut nachvollziehen, warum du dieses Buch als sehr lesenswert empfindest.

    Sachbücher und Biografien liegen mir leider nicht so. Wenn ich mir aber teilweise deine begeisterte Meinung zu der ein oder anderen Biografie durchlese, dann frage ich mich, ob es ein Fehler ist, dieses Genre so konsequent auszuklammern.

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

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    1. Schön, dass meine Begeisterung herauszulesen ist. Ich fand es wirklich schwer, meine Meinung in Worte zu fassen. Lustigerweise gelingt mir das deutlich besser, wenn mir ein Buch nicht gefällt. :D

      Ich kann aber total verstehen, wenn Biografien nichts für dich sind. Ich habe sie auch erst vor 1-2 Jahren für mich entdeckt und höre sie bislang ausschliesslich als Hörbücher. Als Buchform wüsste ich auch nicht, ob ich den Antrieb finden würde, sie zu lesen. :D

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  2. Hallo liebe Mel :)

    Zu diesem Buch habe ich auch schon sehr viel Positives gehört, wobei das Thema sicherlich kein leichtes ist und ich den Titel auch wirklich heftig finde. Vielelicht werde ich irgendwann einmal hineinlesen - aktuell gehören Biografien einfach nicht zu meinen Favoriten. Mal sehen, inwieweit sich mein Lesegeschmack über die Jahre noch ändert.

    Liebe Grüße
    Lisa von Prettytigers Bücherregal (Blog & Instagram)

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    1. Das kann ich absolut nachvollziehen, ich habe Biografien auch erst vor 1-2 Jahren für mich entdeckt und die wenigen Biografien, die ich bislang als Hörbuch gehört habe, waren fast allesamt Volltreffer, deshalb hatte ich wohl Glück :D

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  3. Liebe Mel

    Das Buch war ja wirklich überall zu sehen und ich habe es mir schon länger einmal auf die Wunschliste gesetzt. Es freut mich sehr, dass es dir so gut gefallen und dich auch so bewegt hat.

    Alles Liebe an dich
    Livia

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