[Rezension] Die unerhörte Reise der Familie Lawson

by - Juni 25, 2023

(© Heyne)

Die unerhörte Reise der Familie Lawson*
von T. J. Klune

Bewertung: ★★★★☆

Fantasy, 480 Seiten
Erscheinungsdatum: 11. Mai 2023
Verlag: Heyne


*Rezensionsexemplar. Vielen Dank an den Heyne Verlag.

Inhaltsangabe:
In einem Baumhaus hoch oben in den Wipfeln eines idyllischen Hains lebt Familie Lawson: Vater Giovanni Lawson ist ein Roboter, sein Sohn Victor Lawson ist ein Mensch. Mit ihnen wohnen dort noch ein Pflegeroboter mit einem leichten Hang zum Sadismus und ein schüchterner kleiner Staubsauger. Eines Tages entdeckt Vic einen beschädigten Androiden namens Tom im Wald und repariert ihn. Dann wird Giovanni von seiner Vergangenheit eingeholt und in die Stadt der elektrischen Träume verschleppt, wo er neu programmiert werden soll. Gemeinsam mit seiner Patchworkfamilie begibt sich Victor auf die gefährliche Reise, um Giovanni zu retten. Und inmitten widersprüchlicher Gefühle von Verrat und Zuneigung zu Tom muss Victor für sich selbst entscheiden: Kann er eine Liebe mit Bedingungen akzeptieren?

Meine Meinung:

Seitdem mich T.J. Klune mit seinem Buch über Mr. Parnassus regelrecht verzaubert hat, landet jedes seiner Bücher automatisch auf meiner Wunschliste und somit stand ausser Frage, dass ich auch sein neustes Werk lesen würde, bei dem diesmal die Familie Lawson im Zentrum stehen soll.

Die Handlung spielt zunächst in einem abgeschiedenen Häuschen im Wald, in dem Giovanni Lawson, ein Roboter, seinen menschlichen Pflegesohn Victor aufzieht. Zur ungewöhnlichen Patchworkfamilie gehören noch zwei weitere Mitglieder: Der Pflegeroboter "Schwester Grob" und der Staubsaugerroboter "Rambo". Mit beiden begibt sich Vic regelmässig auf Erkundungstouren auf dem nahegelegenen Schrottplatz, auf dem er eines Tages den kaputten Androiden Tom entdeckt, den er kurzerhand Zuhause wieder zu einem funktionierenden Roboter zusammenbaut. Dabei ahnt er jedoch nicht, dass es sich bei Tom um einen Bekannten aus Giovannis Vergangenheit handelt und dies nur der Anfang einer Reihe von Ereignissen darstellt, die dazu führen, dass Gio in die Stadt der elektrischen Träume entführt wird. Für Vic ist klar, dass er seinen Vater retten muss, und damit begibt er sich mit seinen drei Roboterfreund:innen auf eine gefährliche Mission...

Bei dieser Geschichte handelt es sich um eine moderne Nacherzählung von Pinocchio. Doch eigentlich war es nicht mal der Plot, sondern vielmehr die Charaktere, mit denen mich der Autor einmal mehr begeistert hat. Er hat einfach ein unglaubliches Talent darin, einzigartige Individuen zu erschaffen, die unverkennbare Eigenheiten besitzen und alles andere als perfekt sind. Dieses Mal haben es sogar zwei scheinbare Nebendarsteller geschafft, dem Protagonisten Vic die Show zu stehlen, denn ich glaube, mich haben noch keine Charaktere so zum Lachen gebracht, wie Schwester Grob und Rambo. Am besten fand ich daran, dass beide eigentlich unfreiwillig amüsant sind, denn sie sind halt beide Roboter, die für einen bestimmten Zweck hergestellt wurden, was durch ihre nüchterne Art in sozialen Situationen mit einem Menschen für jede Menge Lachpotential führt. Schwester Grob schafft es zum Beispiel etliche Male, Vic durch ihre medizinischen Ansichten über seinen Körper oder seine Sexualität blosszustellen, obwohl sie einfach neutral wiedergibt, was die Wissenschaft vorgibt. Rambo dagegen wirkt etwas naiver, und sorgt dadurch immer wieder für unterhaltsame Szenen, zum Beispiel als er in der elektrischen Stadt grosse Reinigungsroboter antrifft und seine Begeisterung, potenzielle Verwandte anzutreffen, kaum im Zaum halten kann.

Der Erzählstil hält das Niveau, das man auch aus Klunes anderen Werken kennt, sodass man während des Lesens lacht, weint und mit den einzelnen Charakteren mitfühlt. Wie man es auch schon aus anderen Büchern des Autors kennt, gibt es auch hier wieder einen Hauch einer queeren Liebesgeschichte, die jedoch nicht den Hauptfokus einnimmt.

Der einzige Kritikpunkt, der auch der Grund dafür ist, dass ich nicht die volle Punktzahl vergeben konnte, war der, dass ich die Erzählung im Mittelteil etwas langatmig empfunden habe. Das lag vermutlich daran, dass nach dem ersten Drittel die Reise in die elektrische Stadt beginnt und unsere Protagonist:innen den Schauplatz wechseln. Sie lernen auf ihrer Reise einen kuriosen Kutscher kennen, bei dem sie für meinen Geschmack jedoch zu lange verweilt sind, sodass ich froh war, als die Handlung endlich weiterging. Aber auch in der elektrischen Stadt fand ich die Ereignisse nicht so toll, wie im ersten Drittel und der Handlungsstrang um die blaue Fee fand ich ebenfalls überraschend unspektakulär. Vermutlich ist meine Begeisterung im Mittelteil auch etwas abgeflaut, weil Schwester Grob und Rambo und ihre amüsanten Szenen im Zuge des Hauptplots etwas in den Hintergrund gerückt sind. Ich hätte vermutlich ein ganzes Buch nur mit den beiden lesen können und wäre begeistert gewesen. :D

Am Ende wird man dafür wieder mit ganz vielen Emotionen und einem zufriedenstellenden Abschluss belohnt.

Fazit:

Auch in T.J. Klunes neustem Werk hat er mal wieder seine Fantasie und Kreativität unter Beweis gestellt und die berühmte Geschichte um Pinocchio in einer modernen Sci-Fi-Zukunft nacherzählt. Dabei hat er erneut gezeigt, was für ein unglaubliches Talent er hat, wenn es darum geht, einzigartige Charaktere zu schaffen, die nicht unterschiedlicher sein könnten und einem ans Herz wachsen. Einzig den Mittelteil habe ich plottechnisch etwas langgezogen empfunden, sodass ich nicht ganz die volle Sternenzahl vergeben kann. Nichtsdestotrotz kann ich diese unvergleichliche Geschichte wärmstens weiterempfehlen.

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8 Kommentare

  1. Hallo liebe Mel,
    ich habe von T.J. Klune bislang noch gar nichts gelesen. Ich bin aber aufgrund der vielen begeisterten Meinungen zu seinen Büchern schon mehr als neugierig auf seine Werke geworden.

    Dieses Buch hier ist mir aufgrund des Klappentextes ganz besonders ins Auge gesprungen. Du bestätigst meinen ersten Eindruck mit deiner Rezension. Ich hätte mir hier auch sehr interessante Charaktere erhofft und davon berichtest du im weiteren Verlauf auch.

    Ganz besonders sprechen mich aber auch die Emotionen an, die der Autor scheinbar mit seiner Geschichte gut auf den Leser zu transportieren scheint.

    Ich wusste auch nicht, dass es sich um eine moderne Nacherzählung von Pinoccio handelt. Darauf wäre ich jetzt alleine vom Klappentext her auch gar nicht gekommen. Auch das schürt meine Neugierde.

    Ich freue mich, dass du so schöne Lesestunden mit dem Buch hattest. Für mich wandert es jetzt erstmal auf die Wunschliste :o)

    Ich wünsche dir einen ganz wundervollen Abend.

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

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    1. Das mit Pinocchio wusste ich übrigens vor und während des Lesens auch nicht, ich habe das erst im Nachhinein in anderen Rezensionen gelesen und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. :D

      TJ Klunes Bücher kann ich dir wirklich sehr ans Herz legen, am besten hat mir sein "Mr. Parnassus Heim ..." gefallen :)

      Liebe Grüsse
      Mel

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  2. Hallo Mel,
    wie du gesehen hast, habe ich ja kürzlich auch ein Buch des Autoren gelesen und ich kann deine Begeisterung für seine Figuren und seine Art zu erzählen auf jeden Fall verstehen und teilen.
    Auch hier klingt es wirklich wieder nach ganz vielen wundervollen, kreativen Ideen. Selbst wenn es in Anlehnung an Pinocchio ist, klingt es ja doch noch mal anders, schon allein durch die Charaktere, die er hier erschafft.
    Dass es im Mittelteil für dich ein paar Längen hatte, ist natürlich schade, aber ich finde auch vier Sterne jetzt keine schlechte Bewertung. Ich werde gewiss auch noch weitere Bücher von ihm lesen. Das mit Wallace Price habe ich schon auf dem eBook Sub ;)
    Liebe Grüße,
    Dana

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    1. Ja, also die Ähnlichkeit mit Pinocchio ist überhaupt nicht prominent in der Geschichte und ich habe das erst nach Beendigung des Buches realisiert, nachdem ich es in einer anderen Rezension gelesen hatte. :D

      Ja, vier Sterne sind total okay. Bei mir bekommen halt nur Bücher 5 Sterne, die mich (zumindest beinahe) restlos begeistern. Aber ich kann das Buch auf jeden Fall trotz Längen sehr weiterempfehlen - wie alle Bücher, die ich bisher vom Autor gelesen habe, da sie immer etwas ganz Besonderes sind. :)

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    2. Hallo Mel,
      das ist ja schon fast ein bisschen witzig, dass dir die Parallelen erst aufgefallen sind, nachdem du es in einer anderen Rezension gelesen hast ;) Dann scheint es wirklich nicht so sehr im Fokus zu stehen oder man hat sich da vielleicht auch einfach nicht so sehr Gedanken drüber gemacht, weil eben anderes wichtiger war oder die Gesamtmischung wirkte. Bei mir landet das Buch auf jeden Fall auch mit auf der Wunschliste. Das nächste Buch wird aber wohl das mit Wallace Price werden, bevor das nächste dann einzieht.
      Liebe Grüße,
      Dana

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    3. Schön, dass das Buch auf deiner Wunschliste gelandet ist. :)

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  3. Hallo Mel

    Das Buch habe ich mir auch schon angesehen. Mr Parnassus war ein absolutes Highlight für mich, "Das unglaubliche Leben des Wallace Price" hat mich aber leider ein wenig enttäuscht, weil es für mich wie Parnassus 2.0 gewirkt hat und mir einfach zu viele Längen hatte. Deshalb wollte ich erst ein paar Rezensionen zu den Lawsons abwarten. Was du schreibst, klingt aber spannend.

    Alles Liebe an dich
    Livia

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    1. Das kann ich verstehen, das Buch um Wallace Price war mir der Geschichte von Mr. Parnassus auch zu ähnlich, deshalb habe ich mich gefreut, dass hier der Autor wieder eine ganz andere Richtung eingeschlagen hat.

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