[Rezension] Das Lied von Vogel und Schlange

by - Mai 27, 2020

(© Oetinger Verlag)

Das Lied von Vogel und Schlange (The Hunger Games #0)
von Suzanne Collins

Bewertung: ★★★☆☆

YA Dystopia, 608 Seiten
Erscheinungsdatum: 19. Mai 2020
Verlag: Oetinger


Inhaltsangabe:
Es ist der Morgen der Ernte der zehnten Hungerspiele. Im Kapitol macht sich der 18-jährige Coriolanus Snow bereit, als Mentor bei den Hungerspielen zu Ruhm und Ehre zu gelangen. Die einst mächtige Familie Snow durchlebt schwere Zeiten und ihr Schicksal hängt davon ab, ob es Coriolanus gelingt, seine Konkurrenten zu übertrumpfen und auszustechen und Mentor des siegreichen Tributs zu werden.

Die Chancen stehen jedoch schlecht. Er hat die demütigende Aufgabe bekommen, ausgerechnet dem weiblichen Tribut aus dem heruntergekommenen Distrikt 12 als Mentor zur Seite zu stehen – tiefer kann man nicht fallen. Von da an ist ihr Schicksal untrennbar miteinander verbunden. Jede Entscheidung, die Coriolanus trifft, könnte über Erfolg oder Misserfolg, über Triumph oder Niederlage bestimmen. Innerhalb der Arena ist es ein Kampf um Leben und Tod, außerhalb der Arena kämpft Coriolanus gegen die aufkeimenden Gefühle für sein dem Untergang geweihtes Tribut. Er muss sich entscheiden: Folgt er den Regeln oder dem Wunsch zu überleben – um jeden Preis. (© Oetinger Verlag)

Meine Meinung:

Wie die meisten von uns, wurde auch ich von der Neuigkeit überrascht, das ein neues Panem Buch erscheinen soll. Da ich die ursprüngliche Trilogie bzw. "Mutter-Serie" rund um Katniss geliebt habe, war für mich klar, dass ich dieses neue Buch unbedingt lesen muss. Erst später wurden weitere Details bekannt und die Neuigkeit, dass es sich um die Vorgeschichte von Snow handeln soll, ist bei vielen Fans sauer aufgestossen. Bei mir war das nicht der Fall, denn ich fand es eine mutige Wahl, das Leben des "Bösewichts" näher zu beleuchten und so hoffentlich neue Seiten von ihm kennenzulernen und sein Verhalten besser zu verstehen.

Das Buch ist in drei Teile unterteilt, die sich grob um die Zeit vor, während und nach den 10. Hungerspielen drehen. Also rund 64 Jahre vor den 74. Hungerspielen, an denen Katniss Everdeen aus der ursprünglichen Trilogie teilgenommen hat. (Wobei mir gerade auffällt, dass das zeitlich eigentlich nicht ganz hinhauen kann, weil Snow hier 18 Jahre alt sein soll und die 74. Hungerspiele aus der ursprünglichen Trilogie 50 Jahre nach den Ereignissen aus diesem Buch stattgefunden haben sollen. Aber nevermind...)

Anders als in der ursprünglichen Trilogie, die man aus der Ich-Perspektive von Katniss hautnah miterlebt, wird das Prequel in der 3. Person aus Snows Sicht geschildert, dessen jüngeres Ich wir direkt zu Beginn der Handlung kennenlernen. Relativ schnell wird klar, dass das Panem aus diesem Buch weit weg davon entfernt ist, was wir später kennengelernt haben. Der Krieg mit den Rebellen ist erst 10 Jahre her - also genauso lange, wie die Hungerspiele nun anhalten. Das Kapitol hat durch diesen Krieg sehr gelitten. Lebensmittel sind knapp und viele Leute - inklusive Snows Familie - leben in Armut und müssen tagtäglich hungern. Snow wünscht sich nichts sehnlicher, als dieser Armut irgendwann entfliehen zu können und versucht als musterhafter Schüler Eindruck zu machen, damit er hoffentlich die Chance erhält, aufs College zu gehen und Karriere zu machen.
Neu wird in den 10. Hungerspielen entschieden, dass jeder Tribut ein Mentor zur Seite gestellt bekommen soll, die aus Snow und seinen Mitschüler*innen bestehen. Als Snows Schützling wird Lucy Gray, der weibliche Tribut aus Distrikt 12 erwählt, die durch ihren aussergewöhnlichen Charakter bei Snow auf ein grosses Interesse stösst.
Anders als man es aus Katniss Zeiten gewohnt ist, laufen die Vorbereitungen, sowie die Hungerspiele selbst, zum damaligen Zeitpunkt noch relativ unspektakulär ab. Es gibt noch keine aufwändigen Shows oder technischen Schnick-Schnack, der die Hungerspiele zu einer jährlichen Sensation macht, die möglichst viele Zuschauer*innen vor die Bildschirme locken soll. Doch genau diesen Unterschied fand ich sehr faszinierend, denn man bekommt immer wieder Ansätze vorgelegt, die den Grundstein für die späteren Weiterentwicklungen der Hungerspiele legen.

Die ersten beiden Teile des Buches fand ich noch sehr interessant, denn die Konstellation zwischen Snow und Lucy Gray, die nicht unterschiedlicher sein könnten, fand ich faszinierend. Gleichzeitig bekommt man in diesem Buch aber nicht sehr viel von den Hungerspielen mit, da die Story aus Snows Perspektive berichtet wird und man die Gefahr in der Arena nicht hautnah miterlebt, wie es bei Katniss der Fall war. Dadurch hat mir etwas die Spannung und vor allem die Action gefehlt, um mit den Tributen (und besonders Lucy Gray) mitzufiebern.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft der Umstand, dass sich das Buch zwar um Snows Hintergrundgeschichte dreht, aber Collins es doch nicht schafft, dem Charakter wirklich mehr Tiefe zu verleihen. Das Gleiche gilt auch für seinen Schützling Lucy Gray. Für mich blieben beide Charaktere bis zuletzt sehr blass und die Gefühle der sich sehr schnell entwickelnden Insta-Liebe waren für mich nicht wirklich spürbar.
Am meisten enttäuscht hat mich letztendlich aber der dritte Teil des Buches. Nachdem die Hungerspiele beendet sind, nimmt das Buch plötzlich eine ganz andere Richtung ein und ich hatte das Gefühl, ein komplett anderes Buch zu lesen. In diesem letzten Drittel kommen etliche neue Charaktere hinzu, deren komplizierte Namen ich mir gar nicht alle merken konnte. Und das machte es mir enorm schwierig, ihre Rolle in der Story zuordnen zu können. Snow macht für meinen Geschmack eine ziemlich schnelle Wandlung durch, indem er seinem späteren Ich immer ähnlicher wird. Dieser letzte Teil hat sich für mich nicht gut in die restliche Story eingefügt und der Übergang habe ich als sehr holprig und sprunghaft empfunden.

Auffällig war für mich auch der ganze Fanservice, den Collins im Buch als eine Hommage an die Mutter-Serie liefert. Das war mir dann manchmal etwas zu viel des Guten. Während es noch ganz schön war zu erfahren, wie das Hanging Tree Lied entstanden ist und woher die Idee für Katniss Namen stammt, wird auch näher auf die Entstehung des berühmten Spotttölpels eingegangen. Das geschieht über so viele Seite hinweg, die für mich mehrheitlich nur nichtssagend und unnötig waren. Nicht jedes Details braucht eine ellenlange Erklärung.

Insgesamt war das Buch okay - aber mehr auch nicht. Es hat mir gut gefallen, mehr über die Entstehung der Hungerspiele zu erfahren und zu erleben, wie anders das Kapitol und ihre grausamen Spiele damals waren. Alles in allem hat mir aber ein bisschen der rote Faden gefehlt und das Buch baut nicht wirklich einen Spannungsbogen auf, der sich in einem fulminanten Finale entlädt, wie ich es mir von der ursprünglichen Trilogie gewohnt war.

Fazit:

"Das Lied von Vogel und Schlange" ist ein Prequel zur Panem-Trilogie, das sich um den 18-jährigen Snow dreht, den wir von einer anderen Seite kennenlernen. Das Buch liefert einige interessante Hintergrundinformationen zur Entstehungsgeschichte der Hungerspiele und zeigt den Leser*innen ein ungewohntes Bild vom Kapitol und ganz Panem, das so ganz anders ist, als man es bisher gewohnt war. Trotz dieser interessanten Aspekte, hat mir insgesamt aber ein Spannungsbogen gefehlt. Enttäuscht hat mich auch der teilweise verwirrende letzte Drittel des Buches, in dem die Handlung eine ganz andere Richtung einnimmt und mich die Story dadurch ein Stück weit verloren hat. Für Panem-Fans ist das Buch sicher ein Must-Read, allerdings reicht es für mich nicht annähernd an die fantastische ursprüngliche Trilogie rund um Katniss & Co heran. Von mir gibt es deshalb 3.5 Sterne.

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13 Kommentare

  1. Huhu!

    Nachdem ich jetzt ein paar sehr begeisterte Meinungen gesehen habe ist es interessant, dass du einige Punkte etwas kritischer siehst! Ich werde das Buch auf jeden Fall auch lesen, bin aber noch am überlegen, ob ich die Tribute-Trilogie vorher re-readen soll oder nachhher - mir ist nämlich schon extrem viel entfallen ...

    Ich bin aber gespannt, wie ich das ganze empfinden werde :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Bevor ich das Buch gelesen hab, hab ich die Filme nochmal geguckt und mir hat das gereicht, zwar sind sie nicht so tiefgründing wie die Bücher, aber um wieder in die Story rein zukommen hat es gereicht.

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    2. Ich habe bislang noch fast keine deutsche Rezensionen zum Buch gelesen, war aber schockiert, wie negativ die beliebtesten Meinungen in der englischsprachigen Community auf Goodreads ausgefallen sind. Da hat es massenhaft 1-Sterne Bewertungen und Rezensionen gehagelt. Und ich hatte den Eindruck, dass es hauptsächlich nur daran lag, dass die Geschichte sich um Snow gedreht hat und viele sich eine Vorgeschichte zu anderen Charakteren (z.B. Finnick) gewünscht hätten. :D

      Ich hätte vorher eigentlich auch gerne noch einmal ein Reread der Trilogie gemacht, mir hat aber letztendlich die Zeit gefehlt. Und obwohl ich die Bücher vor ca. 8 Jahren gelesen habe, ist die Erinnerung beim Lesen relativ schnell zurückgekommen - und das ist bei mir sehr untypisch, ich vergesse immer sehr schnell Details aus Büchern :D Du brauchst auch gar nicht ein detailliertes Vorwissen, weil das Prequel ja eh 64 Jahre vor der Trilogie spielt. Nach dem Lesen des Prequels habe ich eher grosse Lust bekommen, jetzt die Trilogie nochmal zu lesen oder die Filme zu schauen, weil man so viel mehr Vorwissen hat als vorher und die Trilogie vielleicht anders liest :D Würde dir eher also diesen Weg empfehlen und falls nötig, vielleicht vorher noch einmal eine Zusammenfassung der Trilogie lesen. Aber das ist nur meine persönliche Meinung :)

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    3. Ah ok, also ich hab in der letzten Woche 2 oder 3 deutsche Buchbloggerinnen gesehen in meiner Blogliste, die sehr begeistert waren und es als Highlight betitelt haben ... ;)
      Dass Unmut herrscht weil es um Snow geht kann ich jetzt nicht so nachvollziehen, das hat man ja vorher eigentlich schon gehört. Mich interessiert das schon sehr.

      Die Erinnerung würde bei mir jetzt glaub ich nicht so schnell wiederkommen ^^ Allerdings werd ich das dann wohl doch so machen, dass ich erst das Prequel lese und danach nochmal die Trilogie. Das grundsätzliche weiß ich ja noch, auch durch die Filme, die ich einige Male gesehen hab - ich denke das reicht dann dafür ;)

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    4. Ah okay, da muss ich mich mal achten. :D Ja, ich kann es auch nicht ganz verstehen. Zumal da viele beliebte Rezensentinnen das Buch mit 1 Stern bewertet haben und das finde ich echt hart.

      Also mit Erinnerung meinte ich aber auch die grundsätzlichen Erinnerungen, die ausreichen. Wenn du noch weisst, was das Hanging Tree Lied ist oder der Spotttölpel, dann reicht das aus. Ich hatte eher in Erinnerung wie pompös die Hungerspiele in der ursprünglichen Trilogie veranstaltet wurden. Hier laufen sie ein bisschen anders ab. Das reicht eigentlich schon, damit du Vergleiche ziehen kannst :D

      Wünsche dir viel Spass mit dme Buch und bin schon auf deine Meinung gespannT!

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  2. Hallo :)
    tolle Rezension! Das ist die erste Rezension die ich lese, die mal fundiert Kritik anbringt! Bin mir immernoch unschlüssig ob ich das Buch lesen mag. Eigentlich interessiert mich Snow so überhaupt nicht :/

    LG

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    1. Ja, mit Snow als Protagonisten hatten viele Mühe. Es dreht sich halt schon relativ viel um seine Entwicklung, allerdings erfährt man aber auch einige Hintergrundinfos zu den Hungerspielen, die ich ganz interessant gefunden habe. Kann dir leider auch keine wirkliche Empfehlung abgeben, ob du das Buch lesen solltest. Gerade der dritte Teil, der sich sehr um Snow dreht, hat mir auch nicht gefallen :D

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  3. Huhu :)

    Ich habe schon von einigen gehört, dass dieser Teil nicht so prickelnd ist und eigentlich für die Reihe keine wirklich neuen Erkenntnisse liefert. Ich glaube, ich werde diesen Teil eher nicht lesen und mir die Panem Reihe so super in Erinnerung behalten. Da muss mir ein junger Snow nicht dazwischenfunkten ;)

    Liebe Grüße
    Sarah

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    1. Hallo Sarah

      Dem würde ich ja nicht ganz zustimmen, denn ich hatte schon das Gefühl, dass ich nun mehr über die Hintergründe der Hunger Games weiss und auch einen Einblick bekommen habe, wie anders damals noch alles abgelaufen ist. Aber ich stimme dem Punkt zu, dass das Buch jetzt nicht unbedingt notwendig gewesen wäre. Du verpasst nichts Wesentliches, wenn du es nicht liest. :D

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  4. Hallo Mel,
    ich habe bislang noch nicht viele Rezensionen zu dem Buch gelesen. Als ich hörte, dass es eine weitere Geschichte zu den Tributen geben wird, war ich neugierig. Mir erging es wie dir: Ich habe die Reihe geliebt. Allerdings war ich auch skeptisch. Zu Recht, wie es scheint, wenn ich mir deine Rezension durchlese. Ich hätte gehofft, dass die Geschichte in erster Linie in der Arena spielt. Auch finde ich es schade, dass Snows Figur nach dem Lesen nicht die gewünschte Tiefe erlangt hat.
    Dass im letzten Teil dann noch so viele Figuren eingeführt wurden, so dass es dir schwerfiel einen Überblick zu behalten, finde ich auch sehr schade. Ich bin mir unsicher, ob ich den Band lesen werde.

    Liebe Grüße
    Tanja

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    1. Hallo Tanja

      Ich hatte mir auch erhofft, mehr von den Kämpfen in der Arena mitzukriegen. Aber dazu hätte die Story abwechslungsweise auch aus der Perspektive von Lucy Gray erzählt werden müssen.

      Ich kann dir leider auch nicht wirklich einen Tipp geben, ob du das Buch lesen sollst. Für mich als Panem-Fan war es ein Muss, es zu lesen - selbst wenn es mir nicht vollumfänglich gefallen hat. :D

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  5. Richtig gute Rezension, die mich aber darin bestärkt, das Buch eher nicht zu lesen. Was ich mir gewünscht hätte wäre wirklich die Hintergründe von Snows Figur zu erfahren, aber wenn das nicht passiert, geht das für mich am "Sinn" des Buches etwas vorbei.

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    1. Danke! Ja, das habe ich mir auch erhofft. Man sieht zwar schon eine Entwicklung zu seinem eher böswilligeren Ich, aber jetzt auch nicht so, dass es dieses Buch rechtfertigen würde.

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