Das Ende ist erst der Anfang

by - September 15, 2018

(© Netgalley / Thienemann-Esslinger Verlag)

Das Ende ist erst der Anfang*
von Chandler Baker

Bewertung: ★★★☆☆

YA Science Fiction, 400 Seiten
Erscheinungsdatum: 17. Juli 2018
Verlag: Thienemann-Esslinger Verlag


*Rezensionsexemplar von Netgalley. Vielen Dank an den Thienemann-Esslinger Verlag.

Inhaltsangabe:
In 23 Tagen wird Lake 18. Dann hat sie die Chance, genau einen Menschen von den Toten auferstehen zu lassen. Ihr behinderter Bruder wäre nach der Auferstehung wieder gesund und sollte Lakes erste Wahl sein. Doch gerade sind ihre beste Freundin und ihr Freund bei einem Unfall ums Leben gekommen. Für wen soll sie sich entscheiden? Ist es überhaupt richtig, Gott zu spielen und über Leben und Tod zu bestimmen? Lake steckt in einem Dilemma, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt ... (© Netgalley / Thienemann-Esslinger Verlag)

Meine Meinung:

Chandler Baker hat mit "Das Ende ist erst der Anfang" ein interessantes ethisch-moralisches Dilemma geschaffen, bei dem es kein Richtig oder Falsch gibt. Die Geschichte spielt in einer Welt, in der es die Möglichkeit für "Resurrections" gibt. Das bedeutet, dass jeder Mensch an seinem 18. Geburtstag die Möglichkeit erhält, einen von ihm auserwählten, bereits verstorbenen Menschen wieder aufleben zu lassen. Die Idee des Autors ist nicht ganz neu und hat mich an die "Vollendet"-Reihe von Neal Shusterman erinnert, in der eine ganz ähnliche Thematik, auf noch brutalere Weise umgesetzt wurde.
Im Buch von Baker geht es im Vergleich aber etwas weniger actiongeladen zu. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die anfangs noch 17-jährige Teenagerin Lake, die ein glückliches Leben führt und viel Zeit mit ihrem festen Freund Will und der gemeinsamen besten Freundin Penny verbringt. Ihr 18. Geburtstag steht kurz bevor und die Familie von Lake hat bereits vor ein paar Jahren die Vereinbarung getroffen, dass Lake ihr Resurrection-Recht für ihren Bruder Matt einsetzt, der vor einigen Jahren einen schlimmen Sturz erlitten hatte und seither querschnittsgelähmt ist. In den darauffolgenden Jahren hat Matt immer wieder Suizidversuche begannen, bis er durch diese Abmachung, dass er am 18. Geburtstag seiner Schwester ein neues Leben erhält, neue Hoffnung schöpfen konnte.
Diese Vereinbarung gerät jedoch durch einen überraschenden Autounfall ins Wanken, bei dem Lake, Will und Penny involviert sind. Während Lake mit ihrem Leben davonkommt, sterben ihr Freund und ihre beste Freundin bei dem Unfall und Lake gerät in eine schwierige Situation, in der sie sich entscheiden muss, wen sie an ihrem 18. Geburtstag wiederbeleben möchte.

Als wäre diese ethische Entscheidungssituation nicht schon schwierig genug, versuchen alle Menschen aus Lakes Umfeld, sie zu einer bestimmten Entscheidung zu beeinflussen. Während Matt auf die zuvor getroffene Abmachung beharrt und er damit droht, sich andernfalls umzubringen, versuchen die Familien von Will und Penny Lake mit Geld zu bestechen - ein risikoreiches Angebot, das in der Resurrections-Welt sehr verpönt ist. Falls jemand davon Wind bekommen sollte, dann würde Lake ihr Recht auf Wiederbelebung ganz verlieren, ohne dass sie es für eine Person einsetzen dürfte.

Um bei ihrer Entscheidung Unterstützung zu bekommen, beginnt Lake eine wöchentliche Therapie, bei der sie Ringo kennenlernt. Die beiden freunden sich an und Ringo beginnt nach einer Weile über seine Erfahrung mit dem Resurrection-Recht zu sprechen, die auch Grund dafür war, dass er seit Jahren in Therapie ist. Damit bekommt Lake noch einmal eine ganz neue Sichtweise auf die bevorstehende Entscheidung, was ihr das Ganze jedoch eher schwieriger als einfacher macht.

Um dem Ganzen noch einen draufzusetzen, begibt Lake sich zeitgleich noch auf eine Schnitzeljagd, die ihr Freund Will vor seinem Tod für sie vorbereitet hat. Auf dieser Schnitzeljagd erfährt sie jedoch Dinge über Will und Penny, die sie zuvor nie geahnt hätte und die ihre Entscheidung massgeblich beeinflussen könnten. Um das Chaos noch perfekt zu machen, erfährt sie im Schlussteil auch noch etwas über ihren Bruder Matt, das sie fast endgültig an den Rand der Verzweiflung bringt. Lake muss erkennen, dass das Leben, das sie bis anhin geführt hatte, gar nicht das war, was sie zu leben geglaubt hatte. Trotz dieser ganzen neuen Erkenntnisse über ihre Freunde und ihre Familie muss sie dennoch eine Entscheidung treffen, denn die Zeit drängt. Lake hat nur noch wenige Tage, um sich für einen Menschen zu entscheiden - eine Entscheidung, die letztendlich nur sie alleine treffen kann und muss.

Das sind jetzt erst einmal sehr viele verschiedene Ereignisse und Informationen, die man sich zu Gemüte führen muss. Und so ähnlich erging es mir während dem Lesen auch. Obwohl die Grundthematik und diese moralisch-ethische Entscheidungssituation sehr vielversprechend klangen, hatte ich am Ende das Gefühl, dass es zu viele verschiedene Geschehnisse gab, die für den eigentlichen Storyverlauf nicht unbedingt notwendig gewesen wären und die Story nur unnötig verkompliziert haben. Mir ist klar, dass der Autor nicht nur Lake, sondern auch die Leser bei ihren moralischen Überlegungen herausfordern wollte, aber manchmal hatte ich Mühe, bei den ganzen Erkenntnissen noch den Überblick zu behalten. Ausserdem wurden mir dadurch die Charaktere in Lakes Umfeld zunehmend unsympathischer - aber wer weiss, vielleicht wollte der Autor auch genau das erreichen. Meiner Meinung nach hätte man zumindest den Nebenplot mit Ringo weglassen können und den Fokus mehr auf Will und Penny legen können, denn die spielen laut Klappentext eigentlich auch eine wichtigere Rolle im ganzen Plot. Diese Schnitzeljagd fand ich etwas sperrig, denn dadurch, dass noch so viele andere Sachen passiert sind, wurde ich immer wieder im Lesefluss gestört und mir war bis zuletzt nicht ganz klar, ob das, was Lake über Will und Penny herauszufinden geglaubt hatte, auch tatsächlich wahr war. Falls dem so wäre, hat mir nämlich Lakes Reaktion auf diese Erkenntnisse gefehlt und sie wurden durch die neue Freundschaft zu Ringo überschattet. Das fand ich schade, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Lake das alles kalt gelassen hätte. Ausserdem fand ich die Art und Weise wie sie zu diesen Erkenntnissen gelangt ist schon mehr als zufällig und das alles wirkte dadurch etwas künstlich erzeugt und wenig glaubhaft.

Das Ende wirkte dann irgendwie gehetzt. Nachdem alle (Halb-)Wahrheiten auf dem Tisch sind, steht auch schon Lakes Geburtstag bevor und ich als Leser wollte natürlich endlich wissen, wofür sich Lake entscheidet, nachdem man die ganze Zeit darauf vorbereitet wurde und regelrecht einer Entscheidung entgegengefiebert hat. Das Ende fällt dann mit einer etwas überraschenden Wendung anders aus, als ich erwartet hätte. Dadurch hat die Geschichte für meinen Geschmack ein etwas unbefriedigendes Ende erhalten, das irgendwie künstlich gewirkt hat. Ich habe mich als Leser etwas auf den Arm genommen gefühlt und mir für einen Moment gedacht: "Und dafür habe ich das jetzt alles gelesen?"
Mir ist klar, dass es kein perfektes Ende hätte geben können - denn das liegt nun mal in der Natur eines solchen Dilemmas. Aber in meinen Augen hat der Autor bei all den Möglichkeiten, die der Plot geboten hätte, ein Ende gewählt, das weit hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben ist. Dadurch, dass das Ende eher dürftig ausgefallen ist, wird mir die Geschichte vermutlich auch nicht lange im Gedächtnis bleiben. Und das ist schade, denn man hätte sicher mehr aus der Thematik machen können.

Fazit:

Der Autor hat mit der Möglichkeit, tote Menschen wiederbeleben zu können, einen interessanten Grundplot geschaffen, bei dem ein ethisch-moralisches Dilemma aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird. Es ist spannend, Lake bei ihrer Entscheidungsfindung zu begleiten, doch durch viele verschiedene Ereignisse auf ihrem Weg dahin, muss man aufpassen, den eigentlichen roten Faden nicht aus den Augen zu verlieren. Das Buch bekommt dadurch im Mittelteil seine Längen und das Ende mag leider auch nicht so ganz überzeugen, weshalb ich dem Buch nur 3.5 Sterne vergeben kann. Für Fans der "Vollendet-"Reihe von Neal Shusterman kann ich das Buch dennoch empfehlen, denn hier wird eine ganz ähnliche Thematik auf eine andere Art und Weise behandelt, die nicht weniger spannend wäre. Man sollte nur nicht zu hohe Erwartungen an das Ende mitbringen, sonst könnte man enttäuscht werden. Insgesamt hätte man aus der Thematik mehr machen können, aber als Lektüre für Zwischendurch kann man das Buch trotzdem lesen.

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2 Kommentare

  1. Leider konnte mich dieses Buch auch nicht so sehr begeistern wie ich es mir von dem Thema erhofft hatte. Für mich war es auch irgendwie zu viel gewollt.
    LG

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    1. Ja, das ging mir auch so. Es wirkte insgesamt etwas konstruiert, obwohl die Thematik interessant gewesen wäre.

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