[Rezension] Was perfekt war

by - Januar 04, 2020

(© dtv Verlagsgesellschaft)

Was perfekt war*
von Colleen Hoover

Bewertung: ★★★☆☆

NA Contemporary Romance, 304 Seiten
Erscheinungsdatum: 25. Oktober 2019
Verlag: dtv


*Rezensionsexemplar von Lovelybooks. Vielen Dank an den dtv Verlag.

Inhaltsangabe:
Es gibt Paare, die lernen sich auf romantische Art kennen. Und dann gibt es noch Quinn und Graham. Sie begegnen sich, als sie ihrer beider Partner in flagranti beim Sex miteinander erwischen. Autsch. Nachdem der erste Liebesschmerz überstanden ist, verlieben sie sich allerdings unsterblich ineinander. Kaum ein Jahr später sind sie glücklich verheiratet. Ende gut, alles gut? Fast forward – acht Jahre danach. Quinn erkennt: Jemanden zu lieben, heißt nicht unbedingt, mit ihm glücklich zu sein. Denn obwohl sie und Graham weiterhin ihr Leben teilen, zerfrisst ein Problem ihre Beziehung: Beide wünschen sich sehnlichst ein Kind – vergeblich. Wie viel Realität erträgt die Liebe? (© dtv Verlagsgesellschaft)

Meine Meinung:

-- Achtung ich Spoiler über das Thema, um das es im Buch geht --

Ich muss in dieser Rezension einfach verraten, um was es im Buch geht, um meine Kritikpunkte mit Beispielen untermalen zu können. Im Klappentext wird bewusst darauf verzichtet, das Thema des Buches zu erwähnen, man kann es allerdings schon sehr gut erahnen und es wird auch relativ am Anfang des Buches bekannt gegeben, deshalb handelt es sich nicht um einen riesigen Spoiler. Wer sich trotzdem überraschen lassen will, sollte nicht mehr weiterlesen.

Das Buch wird abwechselnd aus der Vergangenheit und der Gegenwart erzählt. Während sich die Vergangenheit anfänglich auf das Kennen- und Liebenlernen von Quinn und Graham fokussiert, wird man in der Gegenwart direkt in eine dramareiche Eheproblematik katapultiert. Das macht den Handlungsstrang aus der Gegenwart verständlicherweise auch sehr schwerfällig und deprimierend, so dass die Einschübe aus der Vergangenheit für mich eine willkommene Abwechslung waren. Die Eheprobleme in der Gegenwart drehen sich um ein grosses Thema: Unfruchtbarkeit. Wie man als Leser*in sehr bald erfährt, wünscht sich vor allem Quinn nichts sehnlicher, als mit Graham ein Kind zu bekommen. Doch ihr Wunsch bleibt selbst nach fünf Jahren und zwei erfolglosen In-Vitro-Fertilisationen unerfüllt. Und das hat natürlich nicht nur Einfluss auf Quinns psychische Verfassung, sondern stellt auch eine immer grösser werdende Belastung für die doch noch eher junge Ehe dar.

CoHo gehört zu einer meiner Lieblingsautorinnen und mit dem Thema unerfülltem Kinderwunsch stellt sie ein Tabuthema in den Fokus ihrer Handlung, wofür sie einmal mehr meine Bewunderung erhält. Das Thema ist wichtig und es darf und muss darüber gesprochen werden. Aber obwohl die Idee so viel Potential gehabt hätte, war ich mit der Umsetzung leider nicht ganz so zufrieden. Ich kann mir nur vorstellen, wie frustrierend und traurig es sein muss, wenn man sich nichts sehnlicher wünscht, als ein eigenes Kind, aber man einfach nicht schwanger wird. Ich kann auch verstehen, dass das auf die Stimmung schlägt und eine Ehe belasten kann. Dennoch hatte ich aber leider das Gefühl, dass hier im Buch viel unnötiges Drama konstruiert wurde, von dem viel verhindert hätte werden können, wenn Quinn und Graham nur ein einziges, offenes Gespräch miteinander geführt hätten.
Ich weiss als Psychologin, dass es nicht einfach ist, solche heiklen Themen anzusprechen, gerade wenn man befürchtet, das Gegenüber zu verletzen oder noch mehr Traurigkeit auszulösen. Aber das Ausmass, das das Totschweigen zwischen Quinn und Graham in all den Jahren erreicht hat, war für mich bei zwei erwachsenen Menschen nur schwer nachvollziehbar. Ich will damit nicht sagen, dass mit einem Gespräch alle Probleme aus der Welt geschafft worden wären, aber es hätte die Auseinandersetzung mit dem Thema Unfruchtbarkeit bzw. unerfüllter Kinderwunsch für mich realistischer gemacht. So hingen die Ängste, Befürchtungen und potentiellen Konfliktthemen einfach nur diffus in der Luft und dadurch wurde in meinen Augen viel Potential verschenkt, dieses Tabuthema von verschiedenen Perspektiven zu beleuchten.
Ausserdem hat es sich CoHo sehr einfach gemacht, denn beide Protagonisten habe die Verantwortung für ihre jeweilige Vermeidung, die Themen anzusprechen (die eh schon seit Jahren unausgesprochen in der Luft hingen), jeweils dem anderen zugeschoben. Und das mit der Begründung (frei nach Erinnerung zitiert), "dass es der jeweils andere ja doch ohnehin nicht hören will." Ja, so macht man es sich natürlich leicht. Aber vielleicht spricht da auch nur die Frustration als Psychologin aus mir, die an so vielen Stellen Möglichkeiten gesehen hätte, die Situation durch ein Gespräch zu entlasten. ;) Und natürlich bin ich durch meinen Beruf befangen, denn meine Aufgabe und auch Hoffnung ist es, psychisch belasteten Menschen helfen zu können, aber hier hatte ich so oft gedacht, dass den beiden eine Paartherapie geholfen hätte. Und was macht die Autorin? Die nimmt in ein paar wenigen Sätzen Bezug darauf und tut das Ganze ab mit: "Paartherapie haben wir schon versucht und das hat rein gar nichts gebracht". Daran zweifle ich sehr stark, gerade weil die Eheprobleme hauptsächlich aufgrund fehlender Kommunikation entstanden sind. Ich bin überzeugt, dass ein*e Paartherapeut*in eine grosse Entlastung für die beiden dargestellt hätte, weil es nur schon den Raum geboten hätte, endlich über unausgesprochene Thema zu sprechen. Ich kann aber natürlich nachvollziehen, warum CoHo das Thema so schnell abgetan hat, denn sie wollte, dass sich ihr Konflikt immer mehr zuspitzt, was dramaturgisch Sinn macht.

Für mich war das leider nicht der einzige Aspekt, den die Autorin zugunsten des Dramas auf etwas unglaubwürdige Weise abgetan hat. Obwohl es sehr schmerzhaft und traurig sein kann, keine eigenen Kinder zu bekommen, so gibt es heutzutage doch so viele andere Möglichkeiten, auf anderem Wege Eltern zu werden. Und einige davon erwähnt die Autorin auch am Rande, sie werden jedoch durch eher fadenscheinige Begründungen sehr schnell abgetan, was ich ein bisschen lächerlich fand. Adoptieren ging aufgrund eines Ereignisses aus Grahams Vergangenheit nicht. Okay. Aber alle anderen weiteren Möglichkeiten wurden abgetan, weil Quinn und Graham scheinbar kein Geld haben - und das obwohl man noch im selben Buch erfährt, dass nicht nur Quinns Mutter, sondern auch ihr Stiefvater scheinbar viel Geld besitzen, das sie irgendwann ohnehin erben wird. Aber ihr Stolz lässt es nicht zu, ihre Mutter um das Geld zu bitten. Bitte was?! Ja, was ist ihr denn nun wichtiger? Quinn leidet enorm unter ihrem unterfüllten Kinderwunsch und setzt dafür ihre Ehe aufs Spiel, aber sie schafft es nicht, über ihren eigenen Schatten zu springen und bleibt dafür lieber für immer unglücklich und kinderlos? Das hat für mich einfach keinen Sinn ergeben.
Auch hier kann ich aus dramaturgischer Sicht wieder nachvollziehen, warum sich CoHo für diese Begründungen entschieden hat, aber das hat die ganze Story für mich einfach unglaubhaft und anstrengend gemacht. Das hätte man sicher geschickter lösen können und hat mich sehr geärgert, weil es mir dadurch erschwert wurde, wirklich Mitgefühl für Quinn und ihr Verhalten zu entwickeln. Das wäre sicher ganz anders gewesen, wenn alle Alternativen zum Schwanger werden auf natürlichem Wege mit nachvollziehbareren Gründen aus dem Rennen genommen worden wären. Aber so hatte ich mehrmals das Bedürfnis, sie an den Schultern zu packen, zu schütteln und ihr auf ganz unpsychotherapeutische Weise zu sagen: "Jetzt krieg' dich mal wieder ein!" Ihre Lage war nämlich realistisch gesehen nicht so hoffnungs- und ausweglos, wie CoHo sie erzwungenermassen versucht hat darzustellen.

Und damit kommen wir auch gleich zu einem weiteren Problem, das ich mit dem Buch hatte. Ich glaube, CoHo hat darauf abgezielt, dass man mit Quinn mitfühlt und mitleidet und ihr Verhalten nachvollziehen kann, weil sie so sehr unter der Situation leidet. Ich hatte aber aus den oben genannten Gründen eher Mitgefühl und Sympathien für Graham, der mir wirklich leidgetan hat. Er ist so ein liebenswerter Charakter, der praktisch alles für seine Angebetete tun würde und sie macht ihm indirekt noch ständig Vorwürfe. Im Gegensatz zu Quinn konnte ich Grahams Verhalten sehr gut nachvollziehen, denn egal was er gemacht oder gesagt hat - es war falsch und hat Quinn verletzt. Da ist es nur verständlich, dass er sich zurückzieht und am liebsten gar nichts mehr sagt oder tut, weil er sie ja nicht noch trauriger machen will, als sie es ohnehin schon ist.
Mein letzter Kritikpunkt betrifft schliesslich das Ende der Geschichte. Ich fand den Schlussteil, den sich die Autorin überlegt hat, einfach unglaubwürdig. Und vor allem hat es meinen anfänglichen Kritikpunkt bestätigt, dass dieses ganze Drama in diesem Ausmass(!) verhindert hätte werden können, wenn nur einer dieser beiden erwachsenen Menschen einmal den Mund aufgemacht und darüber gesprochen hätte, was ihn belastet. Da ich versprochen habe, nicht zu spoilern, wie das Buch ausgeht, muss ich leider sehr vage bleiben. Ich kann aber sagen, dass der Schluss viel zu schnell abgehandelt wurde und für mich nicht stimmig zur restlichen Handlung gewirkt hat.

Fazit:

Das war jetzt jede Menge Kritik auf inhaltlicher Ebene, deshalb hat das Buch insgesamt dennoch 3 Sterne von mir erhalten. Die Idee hat mir wie gesagt, sehr gut gefallen, aber die Umsetzung hatte einfach zu viele Ungereimtheiten, über die ich nicht hinwegsehen konnte. Wenn es einem gelingt die Kritikpunkte nicht zu sehr zu hinterfragen und sie im Rahmen der Dramaturgie einordnet, dann wird man sich vermutlich viel besser auf die Handlung einlassen können. Für mich war das aber keine sehr realistische Auseinandersetzung mit dem Thema, weil einfach zu viele Alternativen zum eigentlichen Problem ausser Acht gelassen und mit einer fadenscheinigen Erklärung abgetan wurden, die das Drama unnötig konstruiert haben wirken lassen. Für mich daher leider eher eines der schwächeren Bücher der Autorin.

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4 Kommentare

  1. Hallo Mel, :)

    das Buch ist bisher das einzige von Colleen Hoover, das ich nicht auf Deutsch, sondern Englisch gelesen habe. Da ich jetzt nicht sooo der crack bin, möchte ich das Buch auf noch einmal auf Deutsch lesen, um wirklich die ganze Geschichte noch intensiver aufnehmen zu können. Die von dir angesprochenen Ungereimtheiten kann ich auf jeden Fall nachvollziehen. Ohnehin habe ich das Buch auch als ganz anders zu ihren anderen Büchern wahrgenommen, die Thematik fällt ja gar nicht mehr so in die YA Sparte, sondern behandelt eher ein erwachsenes Thema...
    Ich komme auf jeden Fall auf deine Rezi zurück, wenn ich das Buch nochmal auf Deutsch ganz frisch im Kopf habe und mir noch ein feineres Urteil bilden kann. :)

    Alles Liebe
    Fina

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    1. Hallo Fina!

      Von Colleen Hoover habe ich bisher tatsächlich noch kein Buch auf Englisch gelesen, weil ich irgendwie nie hinterher komme :D Ja genau, das Buch war auf Goodreads unter New Adult kategorisiert.

      Dann bin ich schon sehr gespannt auf deine Rückmeldung nach deinem Reread :))

      Liebe Grüsse

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  2. Hallo Mel,

    eine wirklich detaillierte und begründete Rezension! Ich kann viele deiner Kritikpunkte nachvollziehen, auch wenn sie mir so im Detail beim Lesen nicht aufgestoßen sind.

    Dafür hatte ich andere :D Mir hat die männliche Perspektive gefehlt, eben auch weil kein Dialog zwischen den beiden Protagonisten entsteht. Die Vergangenheit war mir zu perfekt dargestellt. Und die Emotionen sind selten ganz zu mir durchgedrungen. Vielleicht auch, weil mir unterbewusst doch klar war, dass viele Punkte durch Gespräche zwischen Quinn und Graham geklärt werden könnten.

    Aber trotzdem hat mir das Buch gefallen, vor allem auf Grund der Thematik. Kinderlosigkeit wird nicht oft aufgegriffen und das finde ich schade. Und irgendwie finde ich es auch realistisch, dass die Betroffenen nicht miteinander sprechen. Kommt "im echten Leben" bestimmt doch oft vor. Auch wenn ich mir jetzt irgendwie selbst wiederspreche in meiner Kritik :D

    Liebe Grüße
    Jacki von Liebe dein Buch

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    1. Hallo Jacki :)

      Deine Kritikpunkte kann ich sehr gut nachvollziehen, das mit der fehlenden männlichen Perspektive ging mir ähnlich. Gerade deshalb habe ich vermutlich viel mehr mit Graham, als mit Quinn mitgefühlt. Ich finde die Thematik des Buches auch sehr wichtig, nur die Umsetzung war dann stellenweise in meinen Augen nicht so gelungen. Dass man nicht miteinander spricht, kann ich ja auch zu einem gewissen Grad nachvollziehen (das habe ich so in meiner Rezension auch erwähnt), allerdings war das Ausmass, dass es hier erreicht hat, einfach nur unglaubwürdig. Vor allem, wenn man das Ende des Buches mit einbezieht. Da habe ich mich mit diesem Brief (wenn ich es noch richtig in Erinnerung gehabt habe), total veräppelt gefühlt, weil es zeigt, dass der Konflikt schon viel früher aus der Welt hätte geschaffen werden können. Und wie gesagt, die beiden waren bei der Paartherapie, die ist genau auf solche Situationen, in denen die Kommunikation das Problem ist, spezialisiert. :D Mich hat es fast wahnsinnig gemacht, wie sehr sich die Protagonisten selbst im Weg gestanden sind. :D

      Liebe Grüsse

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