[Rezension] Der Orden des geheimen Baumes - Die Magierin

by - Oktober 25, 2020

(© Penhaligon Verlag)

Der Orden des geheimen Baumes - Die Magierin* (Königin von Inys #1)
von Samantha Shannon

Bewertung: ★★★☆☆

Fantasy, 544 Seiten
Erscheinungsdatum: 21. September 2020
Verlag: Penhaligon


*Rezensionsexemplar. Vielen Dank an den Penhaligon Verlag.

Inhaltsangabe:
Mächtige Frauen lenken und beeinflussen das Schicksal ihrer Welt, ob als Königin, Magierin oder Drachenreiterin. Doch die Welt ist geteilt: Während im Westen alle Drachen als absolut böse verdammt werden, werden diese im Osten als göttergleiche Wesen verehrt. Trotz dieser gegensätzlichen Weltanschauungen müssen die Menschen des Ostens und des Westens zusammenarbeiten, als ein riesiger bösartiger Drache aus der Vergangenheit wieder aufersteht. Drei starke Frauen nehmen die Herausforderung an, die Bewohner beider Reiche zu vereinen, um die Menschheit zu retten …

Meine Meinung:

Auch wenn ich mittlerweile Gefahr laufe, mich zu Beginn jeder Rezension zu wiederholen, aber "Der Orden des geheimen Baumes" war mal wieder eines dieser Bücher, auf das ich aufgrund des Hypes auf Goodreads aufmerksam geworden bin. Ich habe mir allerdings nicht zugetraut, ein so dickes und - wie ich vermutet hatte - auch anspruchsvolles Fantasybuch auf Englisch zu lesen, weshalb ich umso erfreuter war, als ich von der deutschen Übersetzung erfahren habe. Im Deutschen wurde der englische Einzelband aufgrund seiner Länge in zwei Teile unterteilt. Sowas führt leider immer zwangsläufig dazu, dass sich der Spannungsbogen ungünstig verteilt, trotzdem konnte ich die Entscheidung des Verlags hier aber nachvollziehen. Ich glaube, ich hätte nicht zu dem Buch gegriffen, wenn es sich um einen über 1000 Seiten dicken Wälzer gehandelt hätte.

Die offizielle Inhaltsangabe ist eher vage gehalten, der Klappentext im Buchinnern hat da schon mehr über die Handlung verraten und mich neugierig gemacht. Das Buch ist nicht nur mit einer sehr detailreichen Karte, sondern auch mit einem mehrseitigen Glossar am Ende des Buches ausgestattet, indem viele der Charaktere, Begriffe und historischen Ereignisse zusammengefasst werden. Das Buch wird unter anderem mit Game of Thrones bzw. der "Das Lied von Eis und Feuer"-Reihe verglichen, was meine Neugierde umso grösser gemacht hat.

Voller Tatendrang habe ich also ins Buch gestartet, um die in der Inhaltsangabe erwähnten mächtigen Protagonistinnen endlich kennenzulernen. Die Kapitel werden abwechselnd aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, wobei sich die Autorin vor allem auf eine Unterteilung zwischen den Ereignissen aus dem Westen und dem Osten fokussiert. Im Westen dreht sich alles um die Königin Sabran, die ein Land anführt, das die Drachen fürchtet. Eine Legende besagt, dass ihr Volk sicher vor dem einen gefährlichen Drachen sein soll, solange eine weibliche Nachfahrin gezeugt wird. Das ist allerdings noch nicht geschehen und deshalb werden immer wieder Mörder auf die Königin angesetzt, die sie töten sollen, bevor sie eine Tochter zeugen kann. Beschützt wird Sabran von Ead, die eigentlich eine Magierin des Ordens des geheimen Baumes ist, aber ihre wahre Identität geheim hält und stattdessen als Kammerzofe für die Königin arbeitet. Sabran weiss dadurch nicht, dass sie von Ead beschützt wird und sie dank ihr schon so manch ein versuchter Mordanschlag überlebt hat. 
Demgegenüber werden im Westen die Drachen verehrt und die Menschen sogar zu Drachenreitern ausgebildet. Eine davon ist die dritte Protagonistin im Bunde: Tané. Durch ihre Augen erfahren wir, was sich für Ereignisse im Westen abspielen und wie sie sich in ihrer Ausbildung zur Drachenreiterin schlägt.
Diese drei weiblichen Perspektiven werden mit zwei weiteren männlichen Protagonisten ergänzt. Zum einen gibt es noch Loth, ein adeliger guter Freund von Sabran und den Alchemisten Niclays, der ursprünglich aus dem Osten stammt, allerdings in den Westen ins Exil verbannt wurde.
 
Obwohl sich alle fünf Charaktere auf den ersten Blick sehr unterschiedlich und interessant anhören, muss ich leider gestehen, dass es mir manchmal sehr schwergefallen ist, bei den ständigen Perspektivenwechseln (ohne, dass zu Beginn des Kapitels angegeben wurde, aus wessen Sicht gerade gelesen wird) den Überblick zu behalten. Während ich Sabrans und Eads Handlungsstränge (die sich mehrheitlich überschnitten haben) sehr gut folgen konnte, merke ich jetzt, dass ich nicht genau erläutern könnte, worum sich Tanés, Loths und Niclays Erzählungen eigentlich gedreht haben. Die Autorin hat sich zwar sehr viel Mühe gegeben, ein sehr komplexes, aber auch interessantes Worldbuilding mit politischen Intrigen und Drachen auf die Beine zu stellen, aber bei der Ausarbeitung ihrer Charaktere ist ihr das aus meiner Sicht leider nicht ganz so gut gelungen. Ich hatte bis zuletzt überhaupt keine Ahnung, wie die einzelnen Protagonisten überhaupt aussehen, geschweige denn, was ihre Charaktereigenschaften eigentlich ausmachen. Das hat es mir leider auch nicht so einfach gemacht, einen Zugang zu ihnen zu finden. Und genau deswegen hinterfrage ich den Vergleich mit Game of Thrones kritisch, denn GRRM ist es in meinen Augen deutlich besser gelungen, seinen Charakteren Leben einzuhauchen und ihnen eine nachvollziehbare Hintergrundgeschichte und entsprechende Stärken und Schwächen zuzuschreiben. Das hat mir hier eindeutig gefehlt.

Die Handlung an und für sich ist sehr komplex und selbst mit Unterstützung des Glossars und den Karten, hatte ich manchmal Mühe, zu verstehen, worum es eigentlich geht. Die Autorin hat einen sehr anspruchsvollen, detailreichen Schreibstil, der es nicht unbedingt erleichtert, der Handlung folgen zu können. Während einige Kapitel neue, überraschende Wendungen zutage brachten, gab es auch leider viele Kapitel, die ich sehr langatmig angefühlt haben und bei mir am Ende den Eindruck hinterlassen haben, dass das Buch stellenweise zäh wie Kaugummi war. Doch den Grundkonflikt des Buches in Zusammenhang mit den Drachen, fand ich nach wie vor interessant und das war auch der Hauptgrund, warum ich das Buch nicht einfach abgebrochen habe. Es hat sich bei mir während dem Lesen jedoch nie das Gefühl eingestellt, dass ich jetzt unbedingt wissen möchte, wie es weitergeht - ich musste mich eher zum Weiterlesen zwingen.

Für sich alleinstehend konnte mich dieser erste Buchteil nicht vollends überzeugen. Da die Autorin allerdings im Original nicht beabsichtigt hatte, das Buch als geteilte Geschichte zu erzählen, habe ich die Hoffnung, dass es im zweiten Band vielleicht spannender werden könnte. Der Schluss dieser ersten Hälfte hat mich dann doch noch einmal neugierig auf den weiteren Verlauf gemacht, denn neben plötzlichen Todesfällen und Schicksalsschlägen, konnte mich auch die Entwicklung einer queeren Liebesbeziehung positiv überraschen. Ausserdem verspricht das Ende, dass wir im zweiten Teil endlich mehr über den Orden des geheimen Baumes erfahren werden, der in diesem Buch leider kaum thematisiert wurde.

Fazit:

Wer sich an "Der Orden des geheimen Baumes" wagt, der sollte viel Geduld und eine gute Auffassungsgabe mitbringen, denn die Autorin hat nicht sich nicht nur ein sehr komplexes, aber interessantes Worldbuilding ausgedacht, sondern erzählt ihre Geschichte auch mit einem anspruchsvollen Schreibstil, der volle Konzentration verlangt, um all die Details aufnehmen zu können. Obwohl ich die fantastische Welt und die starken, weiblichen Protagonistinnen sehr vielversprechend gefunden habe, hatte das Buch für mich leider immer wieder ein paar Längen, durch die ich mich mühevoll durchkämpfen musste. Dennoch fand ich den politischen Grundkonflikt zwischen West und Ost, basierend auf unterschiedlichen Haltungen gegenüber den Drachenwesen als sehr vielversprechend und das Ende dieses ersten Bandes verspricht, dass Band 2 vielleicht etwas spannender werden könnte. Von mir gibt es 2.5 Sterne für dieses erste Buch, mit der Option auf eine Aufwertung, falls die Geschichte nach dem Lesen der zweiten Hälfte als Gesamtwerk mehr zu überzeugen weiss.

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4 Kommentare

  1. Hallo liebe Mel,
    also bei einem 1000 Seiten Buch wäre ich vermutlich auch raus gewesen. Von diesem Buch hat mir eine Freundin schon vorgeschwärmt. Sie hat allerdings die englische Fassung gelesen. Ich war also neugierig auf deine Meinung zur Geschichte.
    Und wieder mal war deine Rezension sehr informativ und hilfreich. Komplexe Geschichten lese ich gerne im Urlaub. Da kann ich dann oft mehr Seiten am Stück lesen und mich dann auch besser auf die Geschichte konzentrieren. Sehr schade finde ich, dass die Charaktere noch etwas mehr an Tiefe hätten erlangen können und dass es auch langatmige Stellen im Buch gab. Wirst du denn zweiten Teil lesen?

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

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    1. Hallo Tanja

      Die englische Fassung habe ich mir nicht zugetraut :D Und wenn ich nun sehe, wie schwer mir die deutsche Übersetzung schon gefallen ist, bin ich froh, dass ich gewartet habe :D

      Ja, der zweite Teil liegt schon bei mir bereit.

      LG

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  2. Ich möchte diesen Winter auf jeden Fall mal in dieses Buch reinschnuppern. Dass es im Deutschen wieder mal in zwei Teile aufgeteilt wurde, finde ich schade. Bei Game of Thrones war ich damals total irritiert, als es plötzlich aufhörte. Damit zerstört man den ganzen Aufbau von einer Geschichte...

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    1. Ja, wobei ich die Entscheidung bei so dicken Büchern nachvollziehen kann. Bei Strange the Dreamer konnte ich es aber gar nicht verstehen...
      Aber du hast schon recht, die Autor:innen haben ja eine genaue Vorstellung eines Spannungsaufbaus, das dann durch die Zerstückelung komplett zerstört wird. Meistens verteilt sich die ganze Spannung dann auf den zweiten Teil, was etwas ungünstig ist. :/

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