[Rezension] Nur ein Tag

by - Januar 26, 2019

(© Audioteka / Argon Verlag)

Nur ein Tag* (Just One Day #1)
von Gayle Forman
gelesen von Jodie Ahlborn

Bewertung: ★☆☆☆☆

YA Contemporary Romance, Audiobook 
Spieldauer: 7 Stunden 54 Minuten 
Erscheinungsdatum: 22. März 2016
Verlag:
Argon Verlag

* Gehört auf audioteka.com/de [Werbung]. Das erste Hörbuch ist gratis.

Inhaltsangabe:
Allysons Leben ist genau wie ihr Koffer – überlegt, geplant und ordentlich gepackt. Doch am letzten Tag ihrer Europatour lernt sie Willem kennen. Als freier, ungebundener Schauspieler ist er all das, was die 18jährige Allyson nicht ist, und als er sie einlädt, mit ihr nach Paris zu kommen, trifft sie spontan eine für sie untypische Entscheidung. Sie ändert ihren Plan und geht mit ihm. Mit ihm erlebt sie in Paris NUR EINEN TAG voller Abenteuer und Romantik, Freiheit und Nähe – 24 Stunden, die ihr Leben von Grund auf verändern. Bis Willem am nächsten Morgen nicht mehr da ist.  (© Amazon / Argon Verlag)

Meine Meinung:

-- Achtung enthält Spoiler --

Leider kann ich die Rezension nicht ganz ohne Spoiler formulieren, weil ich dann gar nicht begründen könnte, was mich alles gestört hat. Wenn du nicht gespoilert werden willst, also bitte nicht mehr weiterlesen, denn in meiner Rezension wird der gesamte Inhalt samt Ende gespoilert!

In "Nur ein Tag" begleiten wir die 18-jährige Amerikanerin Allyson, die nach ihrem Schulabschluss durch Europa tourt und dort den Holländer Willem kennenlernt. Relativ spontan, willigt sie ein, mit ihm nach Paris zu reisen. Dort angekommen, haben die beiden nur 24 Stunden, die sie miteinander verbringen können. Die beiden entdecken gemeinsam die Stadt und plaudern nebenbei über Gott und die Welt. Letzteres ist sogar das, was vielmehr im Fokus steht, denn der Tagesablauf ist ansonsten eher unspektakulär und war für mich als Leserin nur mässig interessant. Ich dachte ja anfangs, dass das ganze (Hör-)Buch so weiterlaufen wird und sich einzig und allein auf diesen einen Tag fokussiert - ebenso, wie es der Titel vermuten lässt. Schnell einmal sind mir dabei die Ähnlichkeiten zu dem inzwischen über 20-jährigen Film "Before Sunrise" aufgefallen, der vermutlich deutlich bekannter, als das Buch ist. Darin treffen sich auch zwei anfangs unbekannte Menschen, die danach einen gemeinsamen Tag in einer europäischen Stadt verbringen, wobei der Fokus auch eher auf die Dialoge und weniger auf spannende Erlebnisse abzielt. Die Idee wirkte deshalb auf mich schon sehr abgekupfert und dafür gab es von mir den ersten Minuspunkt.
Zu meiner positiven Überraschung, endete der Tag aber ungefähr nach dem ersten Drittel des Buches, wenn auch sehr ernüchternd für Allyson, denn nachdem sie mit Willem Sex gehabt hatte, hat er sich aus dem Staub gemacht, während sie geschlafen hatte. Schockiert und völlig aufgelöst kehrt Allyson mit einem gebrochenen Herzen zurück nach Amerika.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt begann das Buch für mich problematisch zu werden. Allyson hat mich zwar schon im ersten Drittel durch ihre kindliche und naive Art genervt, aber im Mittelteil des Hörbuchs wird sie nahezu unerträglich. Obwohl sie ein Studium und damit einen neuen Lebensabschnitt beginnt, sie nicht nur räumliche sondern auch eine längere zeitliche Distanz zu dem One Night Stand mit Willem gewonnen hat, hängt sie gedanklich trotzdem ständig bei ihm und seinem Abgang. Sie verfällt dadurch in eine Passivität und lässt nicht nur ihr Studium, sondern auch ihr ganzes soziales Leben schleifen. Inhaltlich beschränkt sich dieser Mittelteil bloss mit Rumgejammer über diesen einen Tag mit Willem. Ich fand es sehr bedenklich, welche Obsession Allyson entwickelt hat, wenn es um Willem ging. Die beiden kannten sich gerade mal ein paar Stunden lang und ja, sein Abgang war nicht die nette Art, aber so what? Das Leben geht weiter. Nur nicht für Allyson. Denn die scheint innerhalb von 24 Stunden die Liebe ihres Lebens gefunden zu haben. Statt sich damit abzufinden, dass Willem sie vermutlich einfach für eine schnelle Nummer benutzt hat und ihr deshalb zuvor sprichwörtlich mit seiner romantischen Art die Sterne vom Himmel geholt hat, redet sie sich ständig ein, dass hinter dem ganzen mehr stecken muss. Sie spricht zwar nie selbst davon, sich in Willem verliebt zu haben und schiebt die Ungewissheit über Willems stillen Abgang in den Vordergrund, aber für mich war es offensichtlich, dass sie Schwierigkeiten im Umgang mit ihren unerwiderten Gefühlen hatte. Und das war für mich einfach unverständlich, denn ich betone noch einmal: Die beiden kannten sich gerade mal ein paar Stunden lang und seit dem Tag war so viel Zeit vergangen, ohne dass sich Allyson nur das kleinste bisschen mit dem One Night Stand abfinden konnte. Ich finde es immer so schade, wenn insbesondere weibliche Autorinnen ihre Protagonistinnen total hilflos und abhängig von einem Mann darstellen, denn genau das ist hier passiert. (Twilight lässt grüssen!)

Leider geht es im weiteren Verlauf genauso bedenklich weiter, wie es angefangen hat. Statt das Allyson irgendwann noch die Kurve kriegt und die Erkenntnis gewinnt, dass sie keinen Mann braucht, um ihr Leben zu leben, entscheidet sie sich irgendwann ihrer Obsession nachzugeben und fällt die Entscheidung, noch einmal nach Europa zu reisen, um Willem zu suchen. Warum, weiss wohl nur sie selbst, für mich war das ein Akt der Verzweiflung, das ihr dringend jemand aus ihrem Umfeld hätte ausreden müssen. Da ihre Eltern nicht bereit sind, ihr die Reise zu bezahlen, muss sie allerdings erst einmal in einem Café jobben.
Als sie das Geld endlich zusammen hat, reist sie schliesslich erneut nach Europa. Dort versucht sie mit ihrem kläglichen Französisch, mehr über Willem uns seinen Aufenthaltsort rauszufinden und begibt sich dafür ganz Old-School-mässig von Ort zu Ort. Ehrlich gesagt fand ich diese Suche total unrealistisch, denn wenn mir nichts entgangen ist, dann spielt die Geschichte doch in der heutigen Zeit. Mit den ganzen Social Networks wie Facebook oder Instagram ist es sogar für Laien ein Leichtes, eine Person ausfindig zu machen, wenn man ein paar Stichworte hat, nach denen man suchen kann. (Glaubt mir, ich habe das auch schon geschafft ;)). Und das funktioniert auch, wenn man wie im Fall von Allyson, den Nachnamen des Gesuchten nicht kennt. Trotzdem wird das Internet oder Social Media zu keinem Punkt in der Geschichte als Möglichkeit in Betracht gezogen - warum auch, das hätte die Suche viel einfacher, dafür weniger """"romantisch"""" (oder eher bedenklich ...) gestaltet. Noch schlimmer: Allyson hätte in einem solchen Fall keinen Vorwand gehabt, gleich nach Europa zu reisen, sondern die Suche ganz einfach nebenbei von Amerika bzw. Zuhause aus starten können.
Was Allyson auf ihrer Suche nach Willem alles erlebt, hat mich mehrfach den Kopf schütteln lassen und war einfach haarsträubend. Sie erfährt zum Beispiel relativ bald, dass Willem in einem Krankenhaus auf dem Notfall war. Und was macht sie? Sie spaziert dorthin, wo natürlich auch gleich ein Arzt sich für sie Zeit genommen hat. (Mal ehrlich, wart ihr schon mal auf einem Notfall? Da wartet man selbst mit einer Verletzung manchmal stundenlang auf einen Arzt). Als wäre das nicht genug, hat der Arzt Mitleid mit der besessenen... äh, ich meine verliebten Allyson und gibt einfach mal so Willems Nachname und Adresse raus. Es ist ja für die Romantik. THAT'S NOT HOW IT WORKS! Wenn es wirklich einen Arzt geben sollte, der einem wildfremden Mädchen eine Adresse rausgibt (sie gehört ja nicht zu Willems Familie und selbst da dürfte man das nicht), dann wäre er spätestens nach diesem Vorfall seinen Fachtitel und seinen Job los. Damit verstösst er nämlich gegen die ärztliche Schweigepflicht und ich bezweifle, dass irgendein seriöser Arzt auf dieser Welt einem unglücklich verliebten 18-jährigen Mädchen sensible Patientendaten rausgeben würde. Total unglaubwürdig und lächerlich. Spätestens ab diesem Ereignis, konnte ich die Geschichte überhaupt nicht mehr ernst nehmen.

Wie dem auch sei, die Suche führt Allyson dann endlich nach Holland. Zuerst fährt sie nach Utrecht, wo sie auf ein Mädchen trifft, das scheinbar auch mal mit Willem zusammen war und in einen Schwall aus Beleidigungen ausbricht, als Allyson seinen Namen erwähnt. Anstatt, dass sie darüber enttäuscht oder überrascht sein sollte, sucht sie trotzdem weiter nach ihm, auch wenn es bis dahin gefühlt 5000 Hinweise gegeben hat, die darauf hindeuten, dass er ein Arschloch ist, das sich mit vielen Frauen gleichzeitig einlässt und sie betrügt und er keine Sekunde an Allyson gedacht hat, sondern munter sein (Liebes-)Leben weitergelebt hat. Aber Allyson ist so besessen von ihm, dass sie einfach die Augen vor der Wahrheit verschliesst.

Irgendwann, ich glaube, es war in Amsterdam, kommt Allyson dann doch noch zur Besinnung. Ich bin mir gar nicht mehr sicher, was genau passiert ist, weil ich so genervt war. Für eine Millisekunde gewinnt sie die Einsicht, dass es bei der ganzen Suche vielleicht gar nicht um Willem, sondern um die Suche nach sich selbst ging. Sie entschliesst sich ENDLICH ihn nicht weiter zu stalken, sondern will die restliche Zeit ihres Urlaubs für sich nutzen und einige Tage nach Kroatien reisen. Was habe ich mich gefreut, dass die Autorin scheinbar doch noch die Kurve gekriegt hat und das Buch mit einer guten Message beenden lässt...

... aber na ja, zu früh gefreut. Ich weiss auch hier gar nicht mehr genau warum, aber Allyson entschliesst sich dann doch um. Sie fährt zu Willems aktueller Adresse, klingelt an seiner Tür und das Buch endet damit, dass Willem die Tür öffnet und Allyson in seine Wohnung lässt. ENDE.

WTF kann ich da nur sagen.

Fazit:

"Nur ein Tag" ist in meinen Augen ein schreckliches Buch mit einer nichtssagenden Story, die auf bedenkliche Art und Weise das Leben eines 18-jährigen Mädchens schildert, das sich nicht mit der Tatsache abfinden kann, dass ein Junge nach einer gemeinsamen Nacht mit ihr, nicht ihre Gefühle erwidert - und das obwohl sie im Nachhinein mehrfache offensichtliche Hinweise dafür findet, dass ihr Angebeteter ein Playboy ist. Statt den One Night Stand auf sich beruhen zu lassen, setzt sich alles daran, den Jungen wiederzufinden. Die Autorin vermittelt hier ein sehr fragwürdiges Frauenbild, bei dem ein Mädchen sich auf sehr ungesunde Weise von einem Jungen abhängig macht. Die Sprecherin macht ihre Sache gut, doch leider kann dieser Umstand auch nicht über den katastrophalen Plot hinwegtrösten. Das Buch hat in meinen Augen nicht mehr als einen Stern verdient. Dennoch bin ich versucht, den zweiten Teil auch noch zu hören, denn da hört man die ganze Geschichte noch einmal aus den Augen von Willem. Vielleicht stimmt mich das rückblickend etwas versöhnlicher. Dieser erste Teil kann ich aufgrund des rückständigen Frauenbilds leider absolut nicht weiterempfehlen.

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2 Kommentare

  1. Irgendwie habe ich mich in deiner Rezension sehr wieder gefunden - obwohl ich das Buch gar nicht gelesen habe. Mir hat nämlich damals schon Gayle Formans "Wenn ich bleibe" gereicht, das auch so toll hätte sein können. Aber irgendwie scheint in den Geschichten der Autorin quasi nichts zu geschehen und wenn, dann verrennen sich ihre Protagonistinnen...

    Mir wäre es jedenfalls definitiv wie dir gegangen: Erstens ist es schon mal nicht nachzuvollziehen, warum sich jemand nach einem so kurzen Treffen vollkommen obsessiv in eine Suche stürzt, und zweitens finde ich es auch absolut schade, wenn es für die Protagonistin quasi immer nur um den Mann geht. Haben die denn keine anderen Probleme?

    Ich hatte aufgrund der "Geschichte" mit der Autorin zwar eigentlich sowieso nicht vor, das Buch zu lesen - aber du hast mich darin bestärkt. Danke dafür, wie so oft! ;)

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    1. Hallo Sonne :)

      Ich bin froh, wenn es nicht nur mir so geht. Bei "Wenn ich bleibe", habe ich zuerst den Film gesehen, den ich eigentlich noch ganz gut gefunden habe, ich weiss gar nicht mehr, wie es mir danach mit dem Buch erging. Nur die Buch-Fortsetzung fand ich dann schrecklich. Ich glaube auf Goodreads habe ich geschrieben, dass in der Fortsetzung beide nur darüber jammern, wie schlimm es ist reich und berühmt zu sein :D
      Nachdem "Nur ein Tag" so eine Enttäuschung war, habe ich auch ein anderes Buch der Autorin von meiner Wunschliste gestrichen. Ich denke auch, dass ich zukünftig einen grossen Bogen um ihre Bücher machen werden ;D

      Schön, dass ich deine Meinung also damit noch einmal bestärken konnte :D

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